Wort und Bild:Albtraumteufel

Wort und Bild: Illustrationen aus David Grossman / Henrike Wilson: Giraffe und dann ab ins Bett.

Illustrationen aus David Grossman / Henrike Wilson: Giraffe und dann ab ins Bett.

In seinen Gutenachtgeschichten verbindet David Grossman Kinderalltag und Kinderfantasie mit einander und Henrike Wilson malt dazu Bilder.

Von Yvonne Poppek

Wenn Ruthis Papa Räubern begegnet, dann sagt er, sie sollen einmal hinter sich schauen. Tun sie dies, dann läuft er schnell weg. Und eine Hexe kann ihn nicht verzaubern, weil er immer mit einem Fuß auf dem Gehweg und mit dem anderen auf der Straße geht. Ruthis Papa ist auf alle Gefahren vorbereitet, und das ist entscheidend, denn Ruthi wartet auf ihn, weil er ihr die vergessene Brotdose in den Kindergarten bringen wird.

"Keine Sorge, Ruthi!" heißt die kurze Geschichte, in der der israelische Autor David Grossman auf träumerische Weise Kinderalltag und Kinderfantasie miteinander verbindet. Ende der Neunzigerjahre ist "Keine Sorge, Ruthi!" erstmals erschienen. Nun hat der Hanser Verlag sie mit dreizehn weiteren Kindergeschichten von Grossman in einem Band zusammengefasst, den Henrike Wilson mit ebenso fantasiereich hingetupften Illustrationen ergänzt hat. "Giraffe und dann ab ins Bett!", ist eine Sammlung, die zeigt, wie schön es ist, wenn ein Autor seinem Kinderpublikum vertraut. Grossman erfand die Geschichten für seine eigenen Kinder und Enkelkinder - dies dürfte einen Teil ihrer liebevollen Wirkung ausmachen.

Der Autor ist einem internationalen Publikum natürlich für Bücher wie "Eine Frau flieht vor einer Nachricht" oder "Kommt ein Pferd in die Bar", für seine politischen Essays und in Deutschland auch als Friedenspreisträger bekannt. Doch bei seinen Gutenachtgeschichten geht es um den vermeintlich nur kleinen, in Wirklichkeit jedoch riesigen Kinderkosmos. Manch Erwachsener wird sich bei der Lektüre von "Uris besondere Sprache" (1989) daran erinnern, dass Grossmans Sohn Uri 2006 bei einem Militäreinsatz in Libanon getötet wurde.

Diese Gutenachtgeschichte gesellt sich mit ihrem ruhigen, augenzwinkernden Ton zu den anderen hinzu. Etwa zu "Joram und der schwarze Zauberhut", in der Joram seinen Vater in Affe, Wolf und Hahn verzaubert - ihn aber am Ende doch wiederhaben will. Oder zu "Joram, der Traumfänger", in der Vater und Sohn eine Falle für Jorams Albtraumteufelchen bauen. Oder zu der titelgebenden Geschichte "Giraffe und dann ab ins Bett!", die von einem Abendritual zwischen Papa und Ruthi erzählt.

In "Uris besondere Sprache" fängt der Kleine gerade an zu sprechen, nur sein älterer Bruder Jonathan kann ihn verstehen. So dolmetscht er Sätze wie "A-inten-ährt-oßer-uss", der bedeutet: "Da hinten fährt ein großer Bus." Wichtig und lustig ist jedoch, dass Jonathan für die Erwachsenen ein Rätsel lösen muss. Wenn Grossman Uri also sagen lässt "Lo-ich-ähl-euch-ichte", dann sollte man sich freuen. Denn es bedeutet : "Hallo, ich erzähl euch jetzt eine Geschichte." (ab 3 Jahre)

David Grossman: Giraffe und dann ab ins Bett! Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer und Mirjam Pressler. Mit Illustrationen von Henrike Wilson. Hanser Verlag 2018. 112 Seiten, 15 Euro.

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