"World War Z"-Regisseur Marc Forster:"Wir wandeln im Halbschlaf durchs Leben"

Lesezeit: 4 min

Brad Pitt in "World War Z" (Foto: Paramount)

Ein echter Zombiefilm sei sein Blockbuster mit Brad Pitt in der Hauptrolle eigentlich gar nicht, erklärt "World War Z"-Regisseur Marc Forster im Interview. Warum er trotz seines apokalyptischen Endzeitszenarios optimistisch bleibt.

Von Anke Sterneborg

Es ist ein weiter Sprung, den der in Deutschland geborene und in der Schweiz aufgewachsene Marc Forster gemacht hat, seit dem intimen Kampf der Geschlechter in "Monster's Ball". Erstaunlicherweise wirkt der Mann mit den sanften Zügen und dem kahlen Schädel im Gespräch fast ein wenig schüchtern und nervös, was möglicherweise einfach daran liegt, dass ihm seine Muttersprache inzwischen ein wenig fremd geworden ist. Man erkennt aber auch die eher zurückhaltende Art seiner Helden, die dem von Will Ferrell gespielten Steuerbeamten in "Schräger als Fiction" ebenso zu eigen ist wie dem von Brad Pitt verkörperten Weltenretter in "World War Z".

SZ.de: Im Kino jagt derzeit ein Weltuntergang den nächsten, wie nah ist uns der Weltuntergang in der Realität?

Marc Forster (lacht): Dass der Weltuntergang schon direkt vor der Tür steht, glaube ich zwar nicht, aber sicherlich leben wir in einer Zeit großer Unsicherheiten, in der viele Menschen in Angst leben, schon rein wirtschaftlich, wenn Sie Spanien, Portugal oder Griechenland anschauen. Der Untergang steht uns zwar nicht direkt bevor, dennoch müssen wir Menschen umdenken, damit es nicht doch noch soweit kommt. 2050 soll es zehn Milliarden Menschen geben, für die auf diesem Planeten nicht genug Ressourcen vorhanden sind. Da kann man sich gut vorstellen, dass die Menschen so wie die Zombies im Film wie von Sinnen den letzten Nahrungsressourcen nachjagen.

Das Horror-Genre spiegelt traditionell die jeweils aktuellen Ängste, was hat sich da seit Romero verändert, was war für Sie der Hauptgrund, sich jetzt auf dieses Thema einzulassen?

Mir ging es weniger darum, einen Zombiefilm zu machen, als ein apokalyptisches Endzeitszenario zu entwerfen. Es war die Kombination von beidem, die mich interessiert hat. Als die Zombiefilme in den Siebziger Jahren populär waren, was das ebenfalls eine Zeit großer Veränderungen in der Welt, damals ging es vor allem um die Kritik am Konsum. Heute sind die Zombies aus anderen Gründen eine gute Vorlage für vielfältige Interpretationen. Es hat mich gereizt, einen Popcornfilm zu machen, der zugleich eine gute Vorlage bietet, unser modernes Verhältnis zur Welt auszuloten, diese Art, wie wir quasi im Halbschlaf durchs Leben wandeln.

Und wie viele ihrer ganz persönlichen Ängste stecken da drin?

Ich bin generell sehr optimistisch und glaube daran, dass die Menschen einen Weg finden werden, um die Probleme zu lösen, mit denen wir in unserer Welt derzeit zu kämpfen haben. Wir werden sicher rechtzeitig erwachen, bevor wir uns vollends in Zombies verwandeln.

Sie haben die Inkubationszeit auf 12 Sekunden verkürzt, da bleibt der Menschheit wirklich keine Zeit für Reflexionen. Ist das Ihr Kommentar zu unserer schnelllebigen Zeit?

Das war für mich ein zentraler Gedanke, denn im Grunde werden wir ja auch schon längst zu einer Art Zombie. Statt direkt miteinander zu kommunizieren, verbringen wir heutzutage mehr Zeit mit technischen Geräten wie Telefonen, I-Pads oder Laptops. Wir kommunizieren immer mehr miteinander, distanzieren uns aber gleichzeitig immer mehr voneinander. Ohne das zu stark dramatisieren zu wollen, erschien mir das doch ein interessanter Gedanke. Da kann ein Telefonanruf eben auch mal zur tödlichen Gefahr werden.

Dadurch fehlt ein Standard des modernen Endzeitthrillers, die Frage, ob es wirklich nur um die Rettung des blanken Lebens gehen kann, oder doch auch um andere Werte wie Menschlichkeit und Menschenwürde ...

Es ist tatsächlich so, dass sich inzwischen alles immer schneller bewegt. Man denkt nur, "oh, schon wieder ein Jahr vorbei", "schon wieder fünf Jahre vergangen". Die Zeit ist gar kein Faktor mehr, der uns bewusst ist, sie hat ihre Bedeutung verloren, weil alles immer schneller vorbeirauscht. Da gibt es diese Fabel von einem Indianer, der in Amerika mit dem Zug gefahren ist und sich nach dem Aussteigen auf dem Bahnhof auf die Bank gesetzt hat. Als ihn jemand fragt, worauf er denn warte, erwidert er, "darauf, dass ich ankomme". Diese Geschichte finde ich sehr schön, weil es mir auch so vorkommt, als würden wir uns nur noch bewegen, statt uns hier und da mal die Zeit zum Ankommen zu nehmen.

Einerseits ist der Weltuntergang in der Realität ganz nahe herangerückt, andererseits lassen sich mit CGI alle künstlichen Visionen herbeizaubern. Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Realität und Fiktion?

Mir gefällt gerade dieses Wechselspiel! Der Film ist reine Fiktion, trotzdem wollte ich, dass es sich ganz real anfühlt, dass man wirklich das Gefühl hat, das könnte passieren. Genau das war ja auch der Ansatz der Buchvorlage von Max Brooks. Je realer ich das inszeniere, um so stärker identifiziert sich der Zuschauer mit den Charakteren, um so größer werden Angst und Spannung.

"World War Z"-Regisseur Marc Forster während der Premiere des Films in Moskau. (Foto: AFP)

In welchem Maße haben Sie sich an realen Seuchenszenarien orientiert?

Sehr stark, insbesondere in der Eröffnungssequenz in Philadelphia, beim Ausbruch der Krankheit, mit den Explosionen und den Reaktionen darauf. Der Ansturm der Zombies auf die Mauer in Israel ist an reale Massenhysterien angelehnt, wie sie sich bei Sportereignissen zutragen könnten, wenn auf einmal alle aus dem Fußballstadion herausrennen und sich die Menschen gegenseitig zertrampeln.

Diese ausgemergelten Menschenberge erinnern aber auch an den Holocaust.

Im Nachhinein schon. Aber ehrlich gesagt, ist die Idee eher durch meine Faszination für Schwarmintelligenz entstanden. Mit diesem Phänomen habe ich mich schon als Kind sehr stark auseinandergesetzt. Diese Art, wie sich Vögel oder Fische in der Gruppe bewegen und wie auch Krebszellen im Körper wuchern. Schwarmtheorien faszinieren mich schon lange, jetzt hatte ich eine gute Gelegenheit, das bildlich umzusetzen, in einem Tsunami von Zombies. Als Metapher für die Art, wie Menschen in Zeiten der Überbevölkerung den letzten Ressourcen nachjagen, ohne Rücksicht auf den Nächsten.

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