Neue Fernsehserie:Einfach mal machen lassen

Woody Allen

Inhalt? Keine Ahnung! Woody Allen wird Amazon wahrscheinlich trotzdem nicht enttäuschen.

(Foto: Claudio Onorati/dpa)

Woody Allen wird eine Webserie für Amazon machen - und hat für deren Inhalt noch nicht einmal eine Idee. Ist sein Scheitern vorprogrammiert? Im Gegenteil. Das Beispiel zeigt, wie wirklich gutes Fernsehen heute gemacht wird.

Von Tobias Kniebe

Die Meldung über die Zusammenarbeit von Amazon und Woody Allen, die am Mittwoch um die Welt ging, hat einen interessanten Nebenaspekt: Der 79-jährige, unermüdlich filmende Stadtneurotiker hat offensichtlich noch keine Ahnung, was er in seiner Fernsehserie für Amazon Prime Video eigentlich erzählen will - die Verträge für eine ganze Staffel sind aber trotzdem schon unterzeichnet. Das machte Allen in einem Statement klar, in dem er ironisch noch anfügte, Amazons Studiochef werde so viel Vertrauen sicher bald bereuen.

Wird er nicht, muss man antworten - wenn sich die aktuelle Erfolgssträhne der neuen Player im Entertainmentgeschäft fortsetzt. Gerade hat Amazon zwei Golden Globes für seine Streamingserie "Transparent" gewonnen, Netflix verbuchte einen für seinen "House of Cards"-Star Kevin Spacey. Und womöglich sind diese und viele andere Preise, plus der große Erfolg bei den Zuschauern, kein Zufall.

Wer ganz neu im Geschäft ist, muss viel Geld auf den Tisch legen, erfahrene Macher anheuern - und sie dann einfach machen lassen. So ist Netflix bei "House of Cards" verfahren, wo David Fincher engagiert wurde, inzwischen gibt es Deals mit Leonardo DiCaprio und Adam Sandler. Und vor Woody Allen wurde Amazon auch schon bei Steven Soderbergh, Ridley Scott und "Lost"-Showrunner Carlton Cuse vorstellig, die dann in großer Freiheit Pilotfilme entwickelten.

Das ist ein gewaltiger Unterschied zur üblichen Produktionsstrategie der klassischen Filmstudios und Fernsehsender, die nicht umsonst in der Branche gern "Entwicklungshölle" genannt wird. Jede Menge Produzenten, Studio-Aufpasser und Oberbosse wollen meistens mitreden, ständig werden Egotrips gefahren und Stars umschmeichelt - und am Ende kommt nicht einmal ein drehfertiges Skript heraus. Die geleakten E-Mails aus dem Sony-Hack gaben zuletzt einen herrlichen Einblick in diese Hölle.

In Europa wiederum sind es regionale und nationale Fördergremien und in Deutschland besonders die Fernsehredakteure, die jede Idee kontrollieren und modifizieren wollen, weil sie angeblich wissen, was läuft. Wissen sie aber nicht. Weshalb das Modell "Carte blanche", so riskant es erscheinen mag, viel öfter zum Einsatz kommen sollte.

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