Süddeutsche Zeitung

Nachruf auf Wolfgang U. Eckart:Engagierter Vermittler

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Der Heidelberger Arzt und Historiker widmete sich besonders den dunklen Seiten der Medizingeschichte. Nun ist Wolfgang U. Eckart im Alter von 69 Jahren gestorben.

Von Werner Bartens

Gelungene Medizingeschichte ist nie nur die Erforschung des Vergangenen, sondern bringt unweigerlich auch eine aktuelle Standortbestimmung mit sich: Wie hat sich das Verhältnis zu den Patienten verändert, was macht das Selbstverständnis der Ärzte aus, welche gesellschaftliche Funktion nimmt die Medizin in ihrer jeweiligen Epoche ein? Wolfgang Uwe Eckart, 1952 im westfälischen Schwelm geboren, hat sich Zeit seines Berufslebens gefragt, welche Bedeutung seine Befunde und Erkenntnisse für die Medizin und Medizinethik der Gegenwart haben und wie sie fruchtbringend wirksam sein können.

Das Studium der Medizin, Geschichte und Philosophie in Münster lieferte für diese Fragestellung eine breite Grundausbildung. Nach Promotion und Approbation als Arzt beschäftigte sich Eckart am Münsteraner Institut für Theorie und Geschichte der Medizin zunächst mit der Heilkunde in Renaissance und früher Neuzeit. Auf die 1988 angenommene Professur in Medizingeschichte an der Medizinischen Hochschule Hannover folgte 1992 die Berufung zum Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Heidelberg, wo er bis zu seiner Emeritierung 2017 tätig war.

Kollegen heben besonders seine Verdienste um die Kolonialgeschichte hervor

Eckart wandte sich zunehmend auch jenen Bereichen der Medizin zu, in denen es weniger um heroische Selbstversuche, waghalsige Operationen oder sensationelle Behandlungsfortschritte ging, sondern um die Schattenseiten der Heilkunde. Kollegen heben besonders seine Verdienste um die Kolonialgeschichte hervor. Wie rabiat Ärzte und medizinisches Personal mit Menschen in unterworfenen Gebieten in Afrika, Asien und Südamerika umgingen und welches Weltbild dahinter stand, hat Eckart durch seine Arbeiten einem breiteren Publikum zugänglich gemacht.

Groß war auch Eckarts Engagement für die Erforschung der Geschichte wissenschaftlicher Institutionen sowie der Medizin während der Zeit des Nationalsozialismus. An vielen Stellen und zu verschiedenen Gelegenheiten hat sich der Medizinhistoriker immer wieder dafür stark gemacht und entsprechende Projekte eingefordert - obwohl er wusste, dass "man sich keine Freunde damit macht", wie sich Weggefährten erinnern. Doch ob es um die Geschichte der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina ging, die eigene Fakultät in Heidelberg oder andere Institutionen - Wolfgang U. Eckart wollte wissen, wieso sich Ärzte, Wissenschaftler und andere Intellektuelle vor den Karren der braunen Machthaber haben spannen lassen. Dass die grausamen Auswüchse, die unter dem Stichwort "NS-Medizin" bekannt wurden, den Ärzten keineswegs nur von den politischen Herrschern aufgezwungen worden waren, kam dabei ebenso zutage wie das pervertierte Menschenbild mancher Doktoren unter dem Hakenkreuz.

Eckart wollte Geschichte, besonders die Medizingeschichte, über die Fachwelt hinaus vermitteln und nahm dazu auch rege Anteil an öffentlichen Debatten. Er schrieb Gastbeiträge und Rezensionen für Tages- und Wochenzeitungen, auch für die Süddeutsche Zeitung war er immer wieder tätig. Eckart setzte sich dafür ein, den Lehren aus der Medizingeschichte Gehör zu verschaffen. Am Montag ist er nach langer, schwer Krankheit im Alter von 69 Jahren in Heidelberg gestorben.

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