Dokumentarfilm über Wolfgang Puck:Showmaster am Herd

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"Kochen ist Show, alles Theater, und er ist der Star", sagt Wolfgang Pucks erste Frau über ihren Mann

(Foto: Disney+)

Wolfgang Puck, der Österreicher, der Amerika das Essen beibrachte, erhält eine filmische Würdigung vom Meister der Food-Doku: "Wolfgang" auf Disney+.

Von Marten Rolff

Es wirkt fast wie eine Zwangsläufigkeit, dass Wolfgang Puck und David Gelb einen Film zusammen gemacht haben. Puck, der Überkoch aus Österreich, der den Amerikanern einst das Essen beibrachte, als einer der Ersten die offene Küche als Bühne entdeckte und damit zum Role Model des modernen Celebrity Chefs wurde. Und Gelb, der US-Regisseur und Produzent, der mit seiner Netflix-Serie "Chef's Table" die moderne Food-Dokumentation erfand und ein weltweites Publikum für die Vita von Köchen begeisterte. Auch im Foodpairing spricht man von "Traumpartnern", wenn zwei Zutaten so perfekt zueinanderpassen.

Der große Erfolg von "Chef's Table" hing auch mit den eskapistischen Gelüsten der Zuschauer zusammen, mit dem Spaß an der wertigen Kameraarbeit und den opulenten Bildern, die den Foodporn vor sechs Jahren auf ein völlig neues Niveau hoben. Viel wichtiger aber war, dass David Gelb besser als viele andere verstanden hatte: Was den Menschen am meisten am Thema Essen interessiert, ist: der Mensch. Köche auf der ganzen Welt rissen sich darum, vom Master of Storytelling porträtiert zu werden. Und hochdekorierte Sterneköche, die von Gelb nicht berücksichtigt wurden, mussten lernen: Fantastisch zu kochen, ist vor der Kamera wenig wert, solange man keine gute Geschichte zu erzählen hat. Denn "Kochen ist Show, alles Theater, und er ist der Star", wie Wolfgang Pucks erste Ehefrau Barbara Lazaroff im Film über ihren Mann sagt.

Als wichtige Architektin seiner Karriere erkannte Lazaroff früher als Puck selbst, dass er das Zeug zur Marke hatte. Wie richtig sie lag, zeigt auch der Doku-Titel: "Wolfgang" erzählt das Leben eines Kochs, der ohne Nachnamen auskommt, weil ihn in den USA jedes Kind kennt. Der "Wolf", wie die Leute ihn nennen, besitzt mehr als 70 Restaurants, eine eigene Food-Linie und ein Tiefkühlpizza-Imperium. Er ist Dauergast in Fernsehshows und bei den Simpsons und er schmeißt das Catering bei den Oscars.

Puck ist heute 72 und "Wolfgang" damit die würdigende Rückschau auf eine bemerkenswerte Karriere. David Gelb erzählt sie über gewohnt gute Interviewpartner - unter ihnen viele Familienmitglieder von Puck oder Ruth Reichl, die ehemalige Chefkritikerin der New York Times - und kommt so seinem Protagonisten nahe. Der Regisseur schildert Biografien gern, indem er sie einem einzigen Lebensthema unterordnet, das auch erzählerisch zur Triebfeder wird.

Kochen ist Flucht, und alles geht zurück auf den brutalen Stiefvater

Im Fall von Wolfgang Puck, geboren in der Kleinstadt Sankt Veit an der Glan in Kärnten, aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, ist es ein Minderwertigkeitskomplex: der Mangel an Wertschätzung durch den brutalen Stiefvater. Ein Bergmann und Alkoholiker, der den Neunjährigen im Dunkeln in den Wald schickte, um den Knüppel zu suchen, mit dem er später verprügelt werden sollte. Kochen ist für Wolfgang Puck nicht nur Talent, sondern auch Flucht. Eine Art ödipaler Kraftakt, um den Stiefvater zu widerlegen. Eine lebenslange erfolgshungrige Selbstverwirklichungstour, die den jungen Koch über Frankreich bis nach Los Angeles führt, wo er später sein berühmtes Restaurant "Spago" eröffnet. Hier geht bald ganz Hollywood essen, ob Julia Roberts, Tom Hanks oder Sean Penn.

Lebe deinen Traum, du kannst alles erreichen, wenn du nur willst - die Doku ist gespickt mit solchen Plattitüden zum amerikanischen Traum. Wenn sie über weite Strecken trotzdem funktioniert, dann auch, weil Puck kein Aufschneider, sondern authentisch, ja sogar sympathisch ist. Und weil seine Geschichte trägt. Er war der erste, der den Convenience-besessenen Amerikanern zeigte, wie man mit frischen Produkten kocht. Seine "Californian Cuisine" und seine Showküche im "Spago" wurden so oft kopiert, dass die New York Times von "Manhattan's Spagonization" schrieb.

Wolfgang Disney+

Die rote Karte für Tiefkühlware? Nicht bei Wolfgang Puck.

(Foto: Disney +)

Wenn andere Köche Lachspizza anboten, dann war es eben nur Lachspizza und eine Kopie dazu. Wolfgang Puck dagegen darf sich rühmen, das Gericht spontan erfunden zu haben, weil "Denver Clan"-Star Joan Collins mittwochs im "Spago" immer den berühmten Räucherlachs aß und dummerweise an einem Abend das Baguette dazu ausgegangen war. Pucks Leben ist voll von solchen Anekdoten.

Facetten allerdings sucht man in David Gelbs bisweilen etwas schlichtem Mix aus Foodporn und Seelenstriptease vergeblich. Kochen als kathartischer Prozess - hier liefert Gelb immer wieder Nachschlag, und wenn Puck das Grab der Mutter in Kärnten besucht oder die Versöhnung mit dem eigenen Sohn und Nachfolger sucht, dann gerät die Doku ähnlich cheesy wie eine Spago-Pizza. Der Regisseur kann sich das erlauben, er weiß: Normalsterblichen Köchen würde man bei Tiefkühlware und goldglasierten Schoko-Oscars die rote Karte zeigen. Doch nicht nur für die kleinlichen Regeln der Restaurantkritik ist der "Wolf" längst viel zu groß.

Wolfgang, USA 2021 - Regie: David Gelb. Buch: Brian McGinn. Kamera: Will Basanta. Disney+, 78 Minuten.

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