Süddeutsche Zeitung

Wolfgang Beck wird 80 Jahre alt:Große Begabungen

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Zu behaupten, er sei erfolgreich gewesen, wäre eine maßlose Untertreibung: zum 80. Geburtstag des Ausnahmeverlegers Wolfgang Beck.

Von Norbert Frei

Als Wolfgang Beck vor gut sechs Jahren die Führung des geisteswissenschaftlichen und literarischen Teils des Beck-Imperiums an seinen Sohn Jonathan übergab, machte das Wort vom "Altverleger" die Runde. Ich entsinne mich noch genau meines stillen Missbehagens, als der Begriff in Gesprächen im Kreis seiner Mitarbeiter, aber auch mit ihm selbst auftauchte.

Zum einen, weil die Vorsilbe in offensichtlicher Spannung zur Erscheinung des im selbstbestimmten Rollenwechsel Begriffenen stand; zum anderen, weil mir der Terminus aus Forschungszusammenhängen vertraut war, denen sich dann auch, lange her, meine erste eigene Publikation im Hause Beck verdankte. (Na ja, es war nur ein Aufsatz, aber immerhin in einem Band der berühmten "Schwarzen Reihe".)

Was mich an dem "Altverleger" störte, waren die Konnotationen, die außer mir wahrscheinlich niemand empfand, die aber so gar nicht zu Wolfgang Beck passten: Für Historiker ist der Begriff nämlich unauflöslich verbunden mit der unrühmlichen Geschichte jener meist kleineren privaten Zeitungsverleger, deren Betriebe 1945 zugunsten der neuen demokratischen "Lizenzpresse" beschlagnahmt worden waren - und die nach dem Ende der Besatzungszeit mit ziemlichem Getöse, aber wenig Erfolg zurück ins Geschäft drängten.

Beck hat einen der weltweit schönsten geisteswissenschaftlichen Verlage aufgebaut

Damit ist eigentlich für jeden, der Wolfgang Beck auch nur ein bisschen kennt und die Entwicklung des Verlags mit dem wahrscheinlich schönsten innerstädtischen Privatpark der Welt in den letzten, sagen wir, vierzig Jahren verfolgt hat, bereits klar: Das Wort vom "Altverleger" war ein Missgriff. Denn wenn der dieserart Bezeichnete - und Mahrokh, seine kunstverständige Frau - eines nicht mögen, dann ist es Getöse. Und zu behaupten, Wolfgang Beck sei "erfolgreich" gewesen, wäre eine so maßlose Untertreibung, dass sie womöglich sogar Wolfgang Beck absurd erschiene.

Der schlanke Mann des fast scheuen Understatements hat aus einem kleinen geisteswissenschaftlichen Annex eines immer schon großen juristischen Verlags eines der weltweit schönsten und nobelsten Häuser für das gemacht, was man hier vielleicht der Kürze halber die Humanities nennen darf. Etwa in der Halbzeit seiner Regentschaft hat der studierte Germanist sein einzigartiges Universum der Wissenschaften und der schönen Künste, zu dem seit jeher ein kleines literarisches Programm gehörte, zunächst um in Deutschland bis dahin eher unbekannte Autorinnen und Autoren der klassischen amerikanischen Moderne ergänzt.

Die Backlist des Verlags bleibt die Wolfgang-Beck-List

Vor allem aber hat er sich - zusammen mit seinem kongenialen Cheflektor Ernst-Peter Wieckenberg, dessen nun auch schon langjährigem Nachfolger Detlef Felken und der legendären "Pressefrau" Eva von Freeden - in der Geschichtswissenschaft gar nicht zu überschätzende Verdienste erworben. Anfangs vor allem durch den "Import" historisch-literarischer Großbegabungen wie des schottischen Amerikaners Gordon A. Craig, hat er meiner Zunft bedeutet, worum es künftig gehen sollte: um große Darstellungen, bedeutende Biografien und gelehrte Synthesen.

Historiker wie Thomas Nipperdey, Hans-Ulrich Wehler und Heinrich-August Winkler, aber auch Fritz Stern und Saul Friedländer haben dieses intellektuelle Futter für das Beck'sche Bildungsbürgertum, das ungeachtet mancher Abgesänge bis heute nicht verschwunden ist, über Jahrzehnte geliefert. Andere großartige Sachbuch-Erfolge sind seit dem innerfamiliären Wechsel an der Verlagsspitze hinzugekommen, doch die Backlist des Hauses bleibt die Wolfgang-Beck-List.

Dass dies den immer noch jungen Altverleger, natürlich in aller Bescheidenheit, ein bisschen freut, sei heute, an seinem 80. Geburtstag, einfach einmal unterstellt.

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