Wohnen in Hamburg:Vom Betongold der Nazis

Sophienpalais in Hamburg

Das ehemalige Generalkommando der Wehrmacht in Hamburg und künftige "Sophienpalais".

(Foto: Frankonia Eurobau)

In Hamburg wurde ein wichtiges NS-Baudenkmal geopfert, um daraus die teuersten Wohn-Quadratmeter der Stadt zu machen. Ein Lehrstück über den Luxus-Boom - und über unseren Umgang mit der deutschen Geschichte.

Von Gerhard Matzig

Die Nazi-Adler sind weg. Nicht ausgeflogen, aber runter vom Dach. Vom Dach des ehemaligen Generalkommandos - erbaut bis 1937 als ostentativ nationalsozialistische Architektur im feinen Hamburger Stadtteil Harvestehude. "Erstmal eingelagert", wie Uwe Schmitz, Vorstandsvorsitzender der Frankonia Eurobau, der Süddeutschen Zeitung sagt. Wobei er am Telefon eine Pause macht und vorsichtig, fast fragend ergänzt: "Die Adler, also, die könnte man da jetzt natürlich wieder drauftun . . . " (Pause) " . . . oder auch nicht."

Dieses "oder auch nicht" entlockt Alexander Krauß, Gebietsreferent im Denkmalschutzamt Hamburg, dem man davon erzählt, erst ein ungläubiges Gelächter - und dann ein "O Gott! Das auch noch". Gerade ist von ihm ein Aufsatz erschienen über den intern in den Ämtern der Stadt heftig umstrittenen, aber von der Öffentlichkeit bislang kaum wahrgenommenen, in aller Stille betriebenen Totalumbau der ehemaligen Standortkommandantur. Wobei der Totalumbau eines Gebäudes aus der Denkmalschutzliste dem Totalverlust schon recht nahe kommt. Aber gerade deshalb ist nicht auszuschließen, dass diese Stille gewollt und beredt ist. Das Laute ist dem Hanseaten als solchen ja grundsätzlich fremd.

Bewusste Konfrontation mit dem Denkmalschutz

In seinem Aufsatz schreibt Krauß: "Ganz bewusst wird die Konfrontation mit dem Denkmalschutz in Kauf genommen. Falls es mit Drohung und Einschüchterung des Amtes nicht gleich im ersten Anlauf klappt, dann gibt es noch die entsprechenden Anwaltskanzleien ( . . . ) und auch noch den politischen Druck, um seine im Sinne des Denkmalerhalts teilweise abstrusen Vorstellungen durchzusetzen." Das ist allgemein formuliert, zielt aber auch auf jenen Uwe Schmitz. Der ist einer der größten Projektentwickler Deutschlands, und er macht derzeit aus dem Nazi-Bau inmitten eines 50.000 Quadratmeter umfassenden, parkähnlichen Areals zwischen Mittelweg und Harvestehuder Weg eine extrem begehrte Adresse im Segment "Premium Wohnen".

Hier, in einer der teuersten Wohnlagen Deutschlands, wo die Nazis vor nicht allzu ferner Zeit die jüdischen Immobilienbesitzer unter Schlägen und Tritten aus ihren Häusern getrieben haben, soll nun unter dem wohlklingenden Säuselnamen "Sophienterrassen" ein neues Edelwohn-Ensemble entstehen: samt "Alstervillen", "Townhouses", "Parkvillen"; und aus dem dominant das Grundstück besetzenden, denkmalgeschützten Nazi-Koloss der Kommandantur wird das "Sophienpalais". Die Bagger sind schon längst da. Von der Ex-Kommandantur steht nur noch eine kulissenhafte, dünne Fassadenschicht. Die mit den Adlern.

Auf der Homepage des Projektentwicklers, der in München etwa die "Lenbach-Gärten" und in Düsseldorf die "Heinrich-Heine-Gärten" realisiert hat, ist zu lesen: "Das herrschaftliche, denkmalgeschützte Gebäude der ehemaligen Hamburger Standortkommandantur wird mit Erfahrung und Feingefühl behutsam saniert . . . " Krauß - und auch dem Augenschein vor Ort - zufolge ist vom Denkmal außer der Kulissenfassade "nichts mehr übrig". Krauß: "Was soll man tun, wenn die Stadt selbst die Zerstörung eines Denkmals billigend in Kauf nimmt?" Man fragt also bei der Stadt nach, beim Oberbaudirektor Jörn Walter, doch der sei verreist. Eine Stellungnahme gegenüber der SZ gibt es nicht. Schmitz: Kritiker Krauß sei "ja nur so ein Subalterner". Man wird verwiesen auf das "im Einvernehmen mit dem Denkmalschutz erteilte Baurecht".

"Club-Lounge", von Karl Lagerfeld möbliert

Die Marketing-Abteilung der Frankonia hat eigens ein Video zum Projekt in Auftrag gegeben. Untermalt von zarten Klavierklängen, wie man sie aus der Dallmayr-Werbung kennt, umkreist die Kamera den markanten Bau auf dem wehrhaften Sockelgeschoss und nähert sich der eindrucksvollen Pfeilerhalle, deren üppige Treppenanlage - nur im Video! - mit einem roten Teppich belegt ist. Das hätte sich auch Albert Speer senior ausdenken können. Der Teppich endet in einer "Club-Lounge", die demnächst von Karl Lagerfeld möbliert wird. Es ist der alte Nazi-Festsaal. Im Video gibt es die beiden riesenhaften Adler noch. Sie sitzen auf dem Mittelrisalit-Gesims und werfen einen bedrohlichen Schatten auf die Fassade.

Sechs Millionen Euro hat die teuerste (längst verkaufte) Wohnung auf dem Areal gekostet. Bis zu 20.000 Euro je Quadratmeter zahlt man für andere Wohnungen der Sophienterrassen. Eine Einzimmer-Wohnung im Erdgeschoss ist schon für eine knappe halbe Million Euro zu haben. Der Stellplatz käme allerdings noch hinzu: 59.500 Euro.

Johannes Kister vom Kölner Architekturbüro KSG ist der Chefplaner des Projekts. Er weiß nichts von Verwerfungen, Anwälten oder gar Drohungen, von einem Interessenkonflikt zwischen einer Stadt, die investorenfreundlich sein will, und dem Denkmalschutz, der den Bau, in dem der Angriff auf Dänemark vorbereitet wurde, "als einziges namhaftes öffentliches Gebäude aus der Zeit des Dritten Reichs in Hamburg" (Kunsthistoriker Hermann Hipp) schützen will. Oder besser: schützen wollte. Das Credo des Architekturbüros lautet: "Die Seele des Alten bewahren - ohne Dogma, doch mit Sachverstand".

Entkernter Nazi-Bau

So wenig Dogma war selten: Vom Nazi-Bau steht nur noch eine dünne Wand, der Rest wurde "entkernt". Bis auf ein paar Tresortüren im Keller, bis auf den Festsaal, der auf Lagerfeld wartet, bis auf ein Treppenhaus: alles weg. "Diesen Kampf", so Krauß, "haben wir verloren."

Wer trägt die Verantwortung? Der Investor? Der Architekt? Das Amt, die Stadt? Oder auch die Premiumbewohner? Eine alternative Nutzung, Büros etwa, mit der man das Denkmal als Ganzes hätte erhalten können, war "den Anwohnern" nicht zu vermitteln. Der Investor hat Baurecht und unterläuft den Denkmalschutz zumindest nicht auf illegale Weise. Vor allem dann, wenn die Adler wieder an ihren Platz kommen. Die Frage ist eher, ob all das legitim ist: ob die Gesellschaft so verfahren will mit ihrem unbequemen Erbe.

Die Nazi-Fassadentapete ist grün derzeit. Schmitz hätte gern "ein strahlendes Weiß". Das Weiß der Harvestehuder Villen und der fröhlichen Segelboote auf der Alster. Warum auch nicht? Auf dem Areal des ehemaligen KZ in Ravensbrück sollte mal ein Supermarkt gebaut werden. Das wurde zum Skandal. Aber Skandale sind nicht gesellschaftsfähig in Harvestehude.

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