Ein bedeutender neuer Faktor, der sich vor allem auf die rund 100 Städte auswirkt, die weltweit eine Schlüsselposition innehaben, ist der starke Anstieg von Landerwerb durch Unternehmen. Allein in diesen 100 Städten kauften Konzerne von Mitte 2013 bis Mitte 2014 ausgewiesene Grundstücke im Wert von mehr als 600 Milliarden Dollar, und im Wert von über einer Billion von Mitte 2014 bis Mitte 2015, was auf weiteres steiles Wachstum hinweist. In diesen Zahlen sind die erklecklichen Summen für den Erwerb städtischen Grunds zur Baulanderschließung noch nicht mit eingerechnet.
Während diese 100 Städte einen erheblichen Anteil des Gesamtkaufvolumens der Neuerwerbungen ausmachen, sind die Wachstumsraten einzelner Städte besonders auffällig, weil besonders hoch. So gab es zum Beispiel von 2013 bis 2014 einen Zuwachs beim Grundstückserwerb durch ausländische Firmen um 248 Prozent in Amsterdam/Randstad, um 180 Prozent in Madrid und um 475 Prozent in Nanjing. Betrachtet man im Gegensatz dazu die bedeutenden Städte in den betreffenden Regionen, betrug die Wachstumsrate nur etwas über 68,5 Prozent für New York, 37,6 Prozent für London und 160,8 Prozent für Peking.
Die Folgen dieser Käufe machen sich in einigen Städten drastisch bemerkbar, besonders in New York und London, wo der Anteil erschwinglichen Wohnraums immer weiter abnimmt. Im Zuge eines Vorstoßes durch die Regierung Großbritanniens erlaubt ein neues Gesetz privaten Bauunternehmern nun, mietpreisgebundene Wohnungen für einkommensschwache Familien zu erwerben und zu verkaufen. Da das Angebot an günstigen Wohngelegenheiten in London schon jetzt stark eingeschränkt ist, stieß diese Entscheidung auf wütende Kritik.
Städte als Grenzlandschaften von heute?
Stelle ich mir selbst die Frage, wo die Grenzlandschaften von heute zu finden sind, lautet meine Antwort: in unseren Großstädten. Eine Grenzlandschaft ist ein Raum, in dem Akteure aus unterschiedlichen Welten sich mit Erlebnissen konfrontiert sehen, für die es keine etablierten Verhaltensregeln gibt. An der historischen Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation führte dies entweder zu Verhandlungen mit den Einheimischen oder - wie in der Mehrheit der Fälle - zu deren Verfolgung und Unterdrückung.
Die heutigen Grenzlandschaften in den in dieser Hinsicht bunt gemischten Großstädten zeigen da bei Weitem mehr Varianten zwischenmenschlichen Verhaltens. Diejenigen, die über eine gewisse Macht und Einfluss verfügen, möchten nicht von den Armen belästigt werden. Häufig überlässt man diese dann einfach ihrem eigenen Schicksal. In manchen Städten, wie etwa in den USA und Brasilien, kommt es zu extremen Polizeiübergriffen. Dies kann jedoch wiederum zu einer öffentlichen Debatte führen - ein möglicher erster Schritt in einer längeren Entwicklung, zumindest manche Rechte zugestanden zu bekommen. Es sind die Städte, in denen viele der Kämpfe über Rechtsansprüche ausgetragen und auch langfristig Teilerfolge erzielt werden.
Diese mögliche Komplexität der eigenen Machtlosigkeit, die Fähigkeit, Geschichte, eine Kultur und noch vieles mehr zu formen - all dies ist heutzutage stark gefährdet: durch das starke Ausmaß an Stadtsanierungen vonseiten privater Unternehmen genauso wie durch die Verbreitung von "Gated Communities", durch die graduelle Vertreibung des Mittelstands, der sich die hohen Wohnkosten nicht mehr leisten kann, und die gesteigerte Armut selbst in den reichsten Städten.