"Wo ist Kyra?" im Kino:Gegen die Wand

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Ein Film über Einsamkeit, auch über die von Hollywoodstars: Kiefer Sutherland und Michelle Pfeiffer in "Wo st Kyra?" (Foto: dpa/Verleih)

Vereint in ihrer Einsamkeit: die Schauspieler Kiefer Sutherland und Michelle Pfeiffer im Kinodrama "Wo ist Kyra?".

Von Philipp Stadelmaier

Irgendwann beginnt die Frau zu reden. "Ich bin froh", sagt sie, "dass ich alles los bin, von dem ich nur dachte, dass ich es hätte." Und dann: "Wenn nichts von dem, wofür du gearbeitet hast, funktioniert ..."

Was sie sagt in diesem schummrigen Raum, ist stockend hervorgebracht, nicht zusammenhängend, einzelne Fetzen, Fragmente eines Lebens, das schon vor langer Zeit begonnen hat, auseinanderzubrechen, und vielleicht niemals richtig zusammengehalten hat. Einst hat sie in Virginia gewohnt, hatte eine Ehe und einen Job. Dann hatte sie irgendwann beides nicht mehr und ist nach New York gezogen, zu ihrer Mutter. Deren Möbel verkauft sie nun gerade auf dem Möbelflohmarkt, auf dem sie sich mit einem Mann unterhält. Die Mutter ist kürzlich gestorben.

"Wo ist Kyra?" lautet der Titel dieses Films des nigerianischen Fotografen und Filmemachers Andrew Dosunmu, in dem Michelle Pfeiffer und Kiefer Sutherland die Hauptrollen spielen. Kyra und Doug, die beide ums soziale (und ums körperliche) Überleben kämpfen. Sie sucht, aber findet keinen Job, nicht als Sekretärin, nicht einmal in einem Schnellrestaurant. Er hat auch viel hinter sich, raunt etwas von einer gescheiterten Ehe, Unterhaltszahlungen, wie ein Arschloch habe er sich verhalten, erzählt er ihr. Nun fährt er Taxi und arbeitet Teilzeit im Pflegeheim.

Kyra und Doug stehen sprichwörtlich mit dem Rücken zur Wand. In der Szene auf dem Möbelflohmarkt stehen sie auch körperlich so da, an die Wand gelehnt, mit einem Bier in der Hand. Wenigstens ist man zu zweit, und vielleicht ergibt sich daraus ja so etwas wie eine kleine Hoffnung aufs kleine Glück, auf ein bisschen Sex und vielleicht sogar ein bisschen Liebe.

So weit, so trist. Da kommt Kyra, verzweifelt von der erfolglosen Jobsuche, auf eine Idee. Auf den Sterbedokumenten ihrer Mutter hat sie versehentlich die falsche Sozialversicherungsnummer angegeben, was dazu führt, dass die Mutter auch nach ihrem Tod weiter Rentenschecks erhält. Also schlüpft Kyra ab und an in die Rolle der Verstorbenen, und humpelt als alte und gebrechliche Frau zur Bank, um dort ihre Schecks einzulösen. Von irgendwas muss man schließlich leben. Aber natürlich kann dieses Spiel nicht ewig gut gehen.

Dass Dosunmu die kaputten Menschen in einem kaputten Land mit kaputter Wirtschaft zeigt, die aus Verzweiflung zu absurden und kriminellen Maßnahmen greifen müssen, ist die naheliegende Botschaft dieses Sozialdramas. In dieser Welt ist man besser die tote Mutter als die lebendige Tochter. Dosunmu zeigt das alles in dunklen, minimalistischen Einstellungen. Er filmt die Protagonisten entweder in weiten Räumen, in dem sie verloren und allein wirken, oder von ganz nah; dann aber so, dass sie am Rande der Einstellung bleiben, zur Seite sprechen. Als seien sie aus dem Zentrum verschwunden, als könnten sie sich kein Gehör mehr verschaffen.

Das wirkt manchmal etwas stilisiert. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Dosunmu einst in Paris als Designer in der Modebranche gearbeitet und sich mit Werbe- und Musikvideos einen Namen gemacht hat. Der Mann weiß, wie man Dinge und Menschen ins rechte Licht rückt - oder aber, wie in diesem Film, in die Dunkelheit.

Aber diese Stilisierung verrät auch etwas über die beiden Hauptdarsteller, über Michelle Pfeiffer und Kiefer Sutherland. Pfeiffers große Zeiten als Hollywoodstar liegen lange zurück. "Die Hexen von Eastwick", "Die fabelhaften Baker Boys" waren Erfolge der Achtziger. Ähnlich ist es bei Kiefer Sutherland, der seinen Durchbruch 1986 mit "Stand By Me" hatte und erst 2001 mit der Serie "24" noch mal ein Comeback im Fernsehen. In Hollywood sind heute beide Randfiguren. Wie ihre Figuren, so scheint es, müssen auch sie sich abrackern, um Jobs kämpfen, schäbige Rollen annehmen (wie die Rolle der Mutter, die Kyra im Film spielen muss).

Die Dunkelheit von Dosunmus Bildkompositionen reflektiert so auch das Ausbleichen der "Images" zweier alternder Hollywoodstars, deren Marktwert nach den Regeln der Showindustrie sinkt. Hinter der Frage "Wo ist Kyra?" stecken zwei weitere: Wo ist Michelle? Und wo ist Kiefer? Ihre Darstellungen in diesem Film erinnern daran, dass sie wieder mehr Präsenz verdient hätten.

Where Is Kyra? , USA 2017 - Regie: Andrew Dosdunmu. Buch: Darci Picoult, Dosdunmu. Kamera: Bradford Young. Mit: Michelle Pfeiffer, Kiefer Sutherland, Suzanne Shepherd. Kinostar, 98 Minuten.

© SZ vom 27.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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