Wissenschaftsverlage:Das Schwert des Damokles

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Die Lage der Wissenschaftsverlage - von C. H. Beck bis Friedrich Pfeil

Von Antje Weber, München

Auch eine Insolvenz ist nicht billig zu haben: Der Toptitel "Praxis der Insolvenz" im Internetshop von C. H. Beck kostet 199 Euro. Friedrich Pfeil wird sich dieses Buch sicher nicht kaufen, und hoffentlich wird er derlei Tipps auch nicht brauchen. Es wird allerdings eng für seinen Fachverlag, der Bücher von Biologie bis Paläontologie herausbringt. Ausgelöst durch das VG-Wort-Urteil, steckt der kleine Münchner Verlag in großen Schwierigkeiten: "Ich weiß nicht, was ich machen soll", sagt Pfeil, er klingt verzweifelt.

Die Wissenschaftsverlage sind vom VG-Wort-Urteil besonders betroffen, schließlich hatten sie von der VG Wort bisher die Hälfte der Kopier-Einnahmen weitergereicht bekommen. "Wissenschaft" umfasst dabei ein großes Spektrum; ein Pädagogik-Verlag wie Julius Klinkhardt in Bad Heilbrunn gehört ebenso dazu wie der große medizinische Fachverlag Elsevier in München. Wie es den Verlagen geht? Elsevier-Geschäftsführer Patrick Scheidt zum Beispiel hält sich da bedeckt: "Wir werden weiterhin in der Lage sein, in hochwertige Inhalte und Technologien zu investieren, die Forschern und Ärzten helfen, bessere Ergebnisse zu erzielen."

Deutlicher wird man bei einem kleinen Verlag wie Friedrich Pfeil und, am anderen Ende des Spektrums, beim Branchenriesen C. H. Beck. Der ist fast ausschließlich dem Wissenschafts-Bereich zugeordnet: Der Bereich Recht, Steuern und Wirtschaft mache allein schon 90 Prozent aus, erläutert Verlagsleiter Jonathan Beck, und auch im Bereich Literatur, Wissenschaft und Sachbuch falle für die VG Wort nur die Literatur nicht unter Wissenschaft. Angesichts eines "hohen Titelausstoßes" des Verlags ist die Rückzahlungsforderung entsprechend hoch. Sie liege bei ungefähr anderthalb Millionen Euro, sagt Beck, "es geht um richtig viel Geld". Zwar sei das für den Verlag "nicht existenzbedrohend - aber es ist auch nicht nichts".

Die Verleger Jonathan und Hans Dieter Beck haben daher Tausende ihrer Autoren der vergangenen Jahre angeschrieben; 16 000 Autoren allein im juristischen Bereich, zu dem auch Zeitschriften gehören, 750 im Publikumsverlag. Durch den Verzicht auf ihre Ansprüche, so appelliert Jonathan Beck in seinem Brief an die Autoren, "ermöglichen Sie den Fortbestand des alten Solidarsystems". Solidarisch will sich der Verlag auch selbst zeigen: Die Autorenbeträge will C.H. Beck nicht behalten, sondern einmalig dem Härtefallfonds zukommen lassen, der vom Börsenverein für existenzbedrohte Verlage eingerichtet wird.

Ob dieser Fonds demnächst einen kleinen Betrieb wie den von Friedrich Pfeil stützen muss? Der seit 35 Jahren vom Gründer geführte Verlag, der nur drei weitere Mitarbeiter zählt, laufe eigentlich hervorragend, sagt Pfeil, nur die Rückforderung sei ein Problem. Der Verleger muss 50 000 Euro zurückzahlen - "ja, wovon denn?" Er habe versucht anzusparen, doch es sei ihm nicht gelungen, da er mit dem Geld ständig arbeiten müsse, und sei es nur für fällige Nachdrucke. Auch einen Kredit hält er für unrealistisch: "Wer gibt schon einem Verlag Kredit?"

Die Sorgen sind dem Paläontologen auf die Gesundheit geschlagen - einen Brief an seine Autoren hat Pfeil trotzdem nicht verfasst. Mehr als 3000 Briefe hätte er verschicken müssen, da ein wissenschaftliches Buch oft viele Autoren versammelt. Doch Pfeil fände es "unmoralisch", seine Fach-Autoren um ihren Anteil zu bitten; viele von ihnen hätten ohnehin noch nie von der VG Wort gehört. Falls der eine oder andere verzichten sollte, wäre das für ihn allerdings die Rettung: "Ich fühle mich wie Damokles", sagt Pfeil, "mein Schwert fällt am 28. Februar."

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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