Willi Astor:Molekulare Küche der Wortspiele

Willi Astor: Sammeln, formen, basteln - und immer "den Arsch im Sessel": Willy Astor ist einer der auszog, sein Publikum zum Brüllen zu bringen.

Sammeln, formen, basteln - und immer "den Arsch im Sessel": Willy Astor ist einer der auszog, sein Publikum zum Brüllen zu bringen.

(Foto: Hagen Schnauss/oh)

Der König der Kalauer aus dem Hasenbergl dekonstruiert und kombiniert Sprachfetzen, bis es weh tut. Zum 30. Bühnenjubiläum stellt er auf Tollwood sein neues Programm "Reimtime" vor

Von Oliver Hochkeppel

Dass Schmerz mit Lustgewinn verbunden sein kann, ist kultivierten Menschen auch ohne "50 Shades of Grey" seit langem bekannt. Ebenso, dass dies nicht nur für Erotisches gilt, sondern sich auch auf die angedeutete Vergewaltigung der Sprache erstreckt. Ein richtiger Kalauer schmerzt, aber eben durchaus wohltuend. Der ungekrönte König dieses semantischen Sado-Maso, der - um gleich in diesem Duktus zu bleiben - legitime Marquis de Sprach heißt Willy Astor.

Unter Titeln wie "Der Schatz im Silbensee", "Aloneunderholder - Gehe hin und Meerrettich", "Nachlachende Frohstoffe" oder schlicht und treffend "Wortstudio" vereint der 53-Jährige aus dem Hasenbergl alles im Reim, was sich nicht wehren kann oder bei drei auf dem Baum ist. Und das seit 30 Jahren öffentlich. Natürlich gibt es zum Bühnenjubiläum auch ein neues Programm, soeben auf CD veröffentlicht und nun live auf Tollwood zu sehen: "Reimtime" heißt es. Wie immer ist es eine bunte Mischung sinnfreier, aber lustiger Wortspielereien. Oft ganz kurze Sachen, Mini-Gedichte und Limericks, monolithische Aphorismen, angerissene Songs. "Patchwork hat mich immer interessiert", sagt Astor selbst, "eineinhalb Stunden Prosa ist nicht meine Welt. Ich war ja nie der klassische Stand-Upper. Und ich spiele auch viel zu gerne Gitarre."

Zu diesem Mix nach Lust und Laune gehören also auch ausgewachsene Songs musikparodistischer Natur und die gern kopierten, aber selten erreichten ellenlangen Texte, in denen mit Namen und Begriffen sprachlich Schindluder getrieben wird: "Radkäppchen und der böse Golf" mit allerlei eingebauten Autonamen, das "Rauchermärchen mit zahllosen darin versteckten Zigarettensorten oder aktuell die "Promi-WG", in der sich Filmstars, Politiker oder Pop-Größen ebenso lautmalerisch wie sachfremd begegnen, à la: "Einmal fuhr ich mit Harrison Ford, wir drivten durch Frankreich, aber ohne dass wir in Paris Hilton. . . plötzlich hörte ich Liam Neeson, der wusste ja nicht, dass ich Sean Penn. . . die Charaktere waren ja sehr verschieden: der Niki Lauda, der Ben Stiller, und der Till eben der große Schwaiger". Fast sieben Minuten geht das so, Schlag auf Schlag. "Diese Wortspielnummern sind ein molekularer Prozess, fast eine feinstoffliche Arbeit", erklärt Astor. "Erst brauchst du eine Grundidee, dann gibt es eine Formelsammlung und dann versuchst du es charmant zusammenzubasteln, dass es humoristisch wird."

Sammelt Astor vorab, was er womöglich später einmal braucht? "Schon. Ich arbeite ja mit Ideenbüchern. Die Sachen fliegen einem zunächst zu. Für die WG-Nummer etwa war der Ausgangspunkt Gerard Depardieu. Da kam mir plötzlich ,Sag ich zu dem Depp Adieu' in den Sinn. Das habe ich mir dann ins entsprechende Heft aufgeschrieben, nach und nach sammelten sich fünf, sechs, sieben Dinger rund um das Depp Adieu herum an, bis man sich sagt, jetzt wird es Zeit, daraus etwas zu bauen. Da geht es ums Konstruieren, es ist sozusagen der kleine abgeschlossene Roman im Wortspielmodus."

Gerne wird übersehen, wie wichtig solides Handwerk für den - übrigens auch vom Comedy-Hasser Dieter Hildebrandt sehr geschätzten - Humor des gelernten Maschinenbautechnikers ist. Zum angeborenen Talent des schlagfertigen Umgangs mit Leuten kommt eben nicht nur die Leidenschaft fürs Gitarrespielen - als Gitarrenlehrer verdiente er sich bis zu seinem Durchbruch die Brötchen -, sondern auch das akribische Tüfteln an Satz, Wort und (Un-)Sinn. "Es braucht einfach den Arsch im Sessel, das Fenster zu, der Radio aus, die totale Abschottung, ich kann nicht anders schreiben." Danach kommt das Publikum ins Spiel. Stets testet Astor seine Texte live, baut sie so lange um, bis die Leute durchgehend lachen. Auch von "Reimtime" gab es schon einige Vorpremieren. Die Tollwood-Besucher können sich also auf erprobte Versionen des "Navi Tourette", des Camping-Liedes oder "Tausend Füssler"-Gedichts freuen.

Willy Astor: "Reimtime"; Donnerstag, 16. Juli, 19 Uhr, Tollwood Musikarena, Südlicher Olympiapark

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