Wilfried Mohren vor Gericht:Bewährung gegen Geständnis
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In die eigene Tasche gewirtschaftet: Im Betrugs-Prozess um den früheren MDR-Sportchef Wilfried Mohren stellt das Gericht eine Bewährungsstrafe in Aussicht.
Christiane Kohl
Wilfried Mohren zögert einen Moment. "Okey", sagt der einstige Sportchef des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) dann und lächelt etwas verkniffen, "ich bin zufrieden". Im Schwurgerichtssaal des Leipziger Landgerichts hat der Vorsitzende der elften Strafkammer soeben einen "Vorschlag zur Verständigung" gemacht. Demzufolge könnte Mohren, 51, der wegen verschiedener Delikte wie Vorteilsannahme und Bestechlichkeit vor Gericht steht, mit einer Bewährungsstrafe davon kommen - vorausgesetzt er liefert noch "ein glaubhaftes Geständnis" ab, wie der Vorsitzende erklärt.
Das Glück der späten Geburt
Die richterliche Milde ist eine Reaktion auf die kurz vor Prozessbeginn getroffene Einigung zwischen Mohren und dem MDR, in welcher sich der einstige Sportreporter verpflichtet hat, dem Sender rund 380 000 Euro Schadensersatz zu bezahlen - eine Zahlungsbereitschaft, die der Richter offenbar als eine Art Schuldanerkenntnis wertete, denn die Anklage wirft Mohren vor, einen Betrag in vergleichbarer Höhe für sich abgezweigt haben.
"Herr Mohren hat sicherlich das Glück der späten Geburt", kommentiert sein Leipziger Rechtsanwalt Stefan Manthey den richterlichen Vorschlag, dem Staatsanwaltschaft und Verteidigung noch zustimmen müssen. Denn er basiert auf einem neuen Passus in der Strafprozessordnung, der erst Ende Juli in Kraft trat.
Demnach kann das Gericht bereits zu Beginn einer Verhandlung eine "Ober- und Untergrenze der Strafe angeben", noch bevor in die Beweisaufnahme eingetreten wurde. Doch die Bemerkung zur "späten Geburt" gilt wohl auch dem Umstand, dass knapp ein Jahr vor Mohren sein Frankfurter Kollege Jürgen Emig, einst Sportchef des Hessischen Rundfunks (HR), wegen ähnlicher Delikte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt wurde - ohne Bewährung.
Auch Emig zwackte Gelder ab
Emig hatte im Auftrag des HR von Sportvereinen, Verbänden und Kommunen Gelder eingesammelt, für die im Gegenzug Sendeplätze vergeben wurden. Auf diese Weise senkte der TV-Sender seine Produktionskosten, derweil zwackte der Fernsehmann einen Teil der Summen für sich selber ab: Rund 300 000 Euro steckte Emig dem Urteil des Frankfurter Landgerichts vom Oktober 2008 zufolge zwischen 2001 und 2003 in die eigene Tasche - die Richter bescheinigten ihm eine "erhebliche kriminelle Energie".
Sein Kollege Mohren hatte laut Anklage hingegen über einen viel längeren Zeitraum Geld beiseite geschafft: Zwischen 1997 und 2005, soll er etwa 350 000 Euro für sich vereinnahmt haben - in fortlaufenden Dosen als ständiges Zubrot zum normalen Monatsgehalt.
Eingetrieben wurde das Geld der Anklage zufolge über eine Veranstaltungs- und Werbe-Agentur, die auf den Namen von Mohrens Frau Christiane firmierte, weshalb sich die Gattin in Leipzig wegen Beihilfe verantworten muss. Ihrem Mann wird in 19 Fällen Bestechlichkeit vorgeworfen, Vorteilsannahme in drei Fällen sowie Betrug in neun und Steuerhinterziehung in drei Fällen. Bei den Summen ging es laut Anklage teils um fünfstellige Tausender-Beträge, teils um läppische 40 Euro - Mohren habe versucht, selbst aus geringfügigen Reisekostenabrechnungen noch Profit zu ziehen, indem er dem MDR Flugkosten in Rechnung gestellt habe, die bereits durch Gutscheine bezahlt gewesen seien.
Alles begann mit einem Vertrag, den Mohren 1997 mit der Eschborner Firma Techem schloss, einem als Sportsponsor bekannten Energiedienstleister. Der Vereinbarung zufolge sollte der Sportreporter einmal im Quartal eine Veranstaltung für die Techem moderieren, wofür ein Salär von 9500 Euro vorgesehen war.
Die Vereinbarung wurde beinahe jährlich erneuert, zuletzt 2005. Indes hatte Mohren offenbar nie eine Nebentätigkeit dafür beim MDR beantragt, und die Moderationen kamen auch nicht zustande. Stattdessen soll der Reporter stets Ausfallhonorare von rund 7500 Euro erhalten haben - diese summierten sich laut Anklage mit den Jahren auf rund 83 700 Euro inklusive Mehrwertsteuer.
Ins rechte Licht gerückt
Der damalige Chef der Techem Hans-Ludwig Grüschow, heute 73, war zeitweise zugleich Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Und so wurde auch mit dieser Institution ein Honorar-Vertrag geschlossen, über jährlich 15 000 Euro. Als Gegenleistung soll sich Mohren verpflichtet haben, den Sporthilfe-Chef in Fernseh-Interviews unterzubringen.
Überdies habe er dafür gesorgt, so die Anklage, dass das Logo der Sporthilfe bei Sendungen des MDR ins rechte Bild gerückt wurde. So seien TV-Kameras beispielsweise auf Studiogäste gelenkt worden, die ein Abzeichen auf dem Jackett trugen. Mohren soll auch dafür gesorgt haben, dass Veranstaltungen wie die "Goldene Sportpyramide" oder "Sportler des Jahres" möglichst prominent im Fernsehen wiedergegeben wurden.
Eine Praxis, von der auch andere Unternehmen profitiert haben sollen. So beispielsweise die Hasseröder Bierbrauerei, von der Mohren der Anklageschrift zufolge insgesamt etwa 91 500 Euro kassierte. Auch hier sei es unter anderem darum gegangen, Gäste mit Firmenlogos ins Bild zu hieven beziehungsweise von der Brauerei gesponserte Motorsport-Veranstaltungen ins Programm zu rücken. Als letzten Anklagepunkt zählt Staatsanwältin Karin Schreitter-Skvortsov im Leipziger Gerichtssaal schließlich eine Reihe von Reisekostenabrechnungen auf: Mohren habe sich jeweils Beträge zwischen 40 Mark und einigen Hundert Euro vom MDR zu viel erstatten lassen.
Nachdem Mohren im Sommer 2005 aufgeflogen war, hatte die Dreiländeranstalt umgehend Schadensersatz von ihm verlangt - zunächst ging es um 170 000 Euro, als die Staatsanwaltschaft weitere Unregelmäßigkeiten fand, stockte der MDR seine Forderung auf 350 000 Euro auf.
Ein überschaubar bezahlter Reporter
In dem Vergleich mit dem MDR einigte sich Mohren nun auf die Zahlung von 331000 Euro Schadensersatz plus 50 000 Euro für Auslagen der Anstalt. Um den einstigen Sportchef finanziell in die Lage zu versetzen, die Schadenssumme zu begleichen, erwägt das Gericht nun, die Pfändung seiner Vermögenswerte aufzuheben. Dadurch, so bestätigt sein Anwalt Manthey, könnte ein Betrag zusammenkommen, der "annähernd" dem vom MDR geforderten Betrag entspreche.
Freilich mag sich Mohren nicht als reicher Mann betrachten: "Mein Pech ist, dass ich kein Zumwinkel bin und auch kein Geld in Liechtenstein habe", sagt er. Nach seinem Rauswurf beim MDR im Sommer 2005 hatte sich Mohren mit Moderationen auf einem Kreuzfahrtschiff über Wasser gehalten. Und zuvor, sagt Mohren, sei er auch nur "ein überschaubar bezahlter Reporter" gewesen.