Wiederaufbauwahnsinn:Herz ist Trumpf

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Der sozialdemokratische Politiker Florian Pronold wird Gründungsdirektor der Berliner Bauakademie. Was aber qualifiziert ihn für diese Aufgabe?

Von Jörg Häntzschel

"Sie sind eine in der Welt des Bauens angesehene (...) Führungspersönlichkeit. Sie ... gestalten (...) Entwicklungen und Debatten im Bauwesen mit. Sie haben Erfahrung mit (...) Museen, Ausstellungen, Festivals, Konferenzen." So hieß es in der Ausschreibung für die Stelle des Gründungsdirektors der geplanten Berliner Bauakademie. Und: Sie verfügen "über ein (...) für die Themen der Bauakademie relevantes (...) Hochschulstudium; eine Promotion, ggf. auch eine Habilitation ist wünschenswert." Nicht nur eine Findungskommission, auch die Headhunter der Firma Kienbaum jagten monatelang nach der richtigen Person.

Und wer bekommt nun den Posten? Das Innenministerium gab es kürzlich bekannt: der niederbayerische SPD-Abgeordnete Florian Pronold, 48, der von den verlangten Qualifikationen keine einzige erfüllt. Pronold hat Jura, nicht Architektur studiert und ist nie vom Pfad der Politkarriere abgewichen. Jusos, SPD-Landesvorstand, Abgeordneter, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, SPD-Präsidium. Außer als parlamentarischer Staatssekretär im Bauministerium hatte er nie mit der Materie zu tun.

Schinkels Bauakademie wurde von 1832 bis 1836 gegenüber dem Schloss errichtet. 1945 brannte sie aus. Auf ihren Ruinen wurde das DDR-Außenministerium gebaut. Nachdem es 1996 abgerissen worden war, wurden, ähnlich wie beim Schloss, Rufe nach dem Wiederaufbau laut. Auch in diesem Fall hüllten die Aktivisten ein Gerüst in Plastikplanen, die mit der alten Fassade bedruckt waren. Lange werden sie nicht mehr im Wind knattern.

Inhaltlich tritt das Projekt seit Längerem auf der Stelle

Das Wiederaufbauprojekt fand in der Politik viele Freunde. 2016 beschloss der Haushaltsausschuss überraschend, 62 Millionen Euro dafür freizugeben. Allerdings versprach man, nicht denselben Fehler zu machen wie beim Schloss, wo erst die Fassade kam und dann der Inhalt. Deshalb nannte man den 2018 veranstalteten Architekturwettbewerb denn auch "Programmwettbewerb". Fünf Büros wurden mit gleichwertigen Preisen ausgezeichnet. Was davon realisiert werden würde, so der Jury-Präsident damals, darüber solle der künftige Direktor der Anfang 2019 gegründeten Bundesstiftung Bauakademie befinden. Der Witz daran: Pronold war erst als parlamentarischer Staatssekretär im Bauministerium für das Projekt zuständig, dann war er jener Jury-Präsident - und nun ist er Direktor. Während das Projekt also inhaltlich auf der Stelle tritt, schiebt es sich unmerklich der Realisierung entgegen. Und die Titel, die Pronold dabei tragen darf, werden immer klangvoller.

Doch die Besetzung ist durchaus konsequent. Bis auf zwei stammen sämtliche Mitglieder der Findungskommission aus der Politik oder dem nun auch für das Bauen zuständigen Innenministerium. Die Gremien reproduzieren sich selbst.

Alles zum Geist, aus dem diese Entscheidung geboren wurde, kann man dem Statement der Baustaatssekretärin Anne Katrin Bohle entnehmen, die Mitglied des Stiftungsrats, Mitglied der Findungskommission und Vorsitzende des Stiftungsrats der Stiftung Baukultur ist (auch sie eine Juristin): Pronold, erklärte sie, bringe "große politische und fachliche Erfahrung aus seiner mehrjährigen Tätigkeit als für Bau zuständiger parlamentarischer Staatssekretär" mit. Außerdem sei ihm die Bauakademie "ein Herzensanliegen", was sich darin zeige, "dass er dafür bereit ist, seine politischen Ämter ... und sein Bundestagsmandat abzugeben."

© SZ vom 19.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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