Es ist nicht mehr zu ermitteln, wann sich das Bekenntnis, etwas "nur für den Lebenslauf" zu machen, im Sprachgebrauch etabliert hat. Wenn die Erinnerung nicht trügt, tauchte die Formulierung zum ersten Mal in den frühen Neunzigerjahren verstärkt auf; in Gesprächen von Universitätsabsolventen etwa wurde regelmäßig die Empfehlung ausgesprochen, dieses Praktikum oder jene soziale Tätigkeit nicht aus Interesse anzutreten, sondern weil sich die Station "im Lebenslauf gut machen" und bei späteren Bewerbungen einen positiven Effekt hervorbringen würde. Diese Strategie weist bereits darauf hin, dass das Format des "Lebenslaufs" oder des "CVs" ("curriculum vitae"), wie man getreu dem angloamerikanischen Vorbild inzwischen sagt, nicht einfach als ein passives Abbild der eigenen Biografie aufzufassen ist. Eher ist in den letzten Jahren der umgekehrte Fall eingetreten: Der CV, wie er in Bewerbungsschreiben oder Linkedin- und Xing-Profilen dargestellt wird, folgt nicht dem Leben, sondern das Leben muss dem schillernden CV folgen. Das unscheinbare Format produziert also Erscheinungsweisen professioneller Subjektivität.
Lebensläufe und Bewerbungen:Achtung, die Angeber kommen
Lesezeit: 4 min
Im Format des Lebenslaufs, so zeigt die Forschung, bilden sich die jeweils herrschenden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt deutlich ab.
(Foto: Mark Airs/Imago)Die Lebensläufe für Bewerbungen an die Universitäten geraten mehr und mehr außer Form. Was ist da los?
Von Andreas Bernard
SZ-Plus-Abonnenten lesen auch:
Aussteiger
Einmal Erleuchtung und zurück
Gesundheit
"Siebeneinhalb Stunden Schlaf waren mein Game-Changer"
Dating
"Zu viel Ehrlichkeit halte ich für ein Warnsignal"
GPT-4
Die Maschine schwingt sich zum Schöpfer auf
Comedy-Krieg zwischen ZDF und ARD
Eine brillante Parodie