Wie erhält man Fotografien?:Alternde Meister

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Der Fotostar Andreas Gursky sorgt sich um das Überleben seines Werks. Das Fotoinstitut soll Hilfe leisten.

Von Catrin Lorch

Dass Andreas Gursky kurz vor seinem 65. Geburtstag viel Zeit darauf verwendet, ein Fotoinstitut in seiner künstlerischen Heimat Düsseldorf, wo er als Meisterschüler bei Bernd und Hilla Becher studierte, zu etablieren, wirkt befremdlich. Ist das Werk dieses weltweit hoch gehandelten Fotografen, das in bedeutenden Sammlungen von und Museen verwahrt wird, nicht ausreichend gesichert?

Ja und nein. Denn ausgerechnet der Erfolg wird ihm und seiner Generation zum Problem. Die sogenannte Becher-Klasse oder "Düsseldorfer Fotoschule" ist als Stil weltweit bekannt. Die Fotografie-Studenten hatten von den Lehrern die Idee eines Konzepts übernommen, allerdings das strenge Schwarz-Weiß und das klassische Format dreingegeben und die Möglichkeiten der neuen digitalen Techniken voll ausgeschöpft. Am Computer feilten sie an detailreichen, superscharfen Motiven, die sie auf monumentalen Papierbahnen ausbelichteten. Das professionelle Labor, in dem sich alle nach dem Studium wiedertrafen, lag ebenfalls in Düsseldorf.

Die gewaltigen Abzüge waren kleinteilig wie ein Brueghel und monumental wie ein Rubens. "Es wäre vielleicht für euch Kunsthistoriker interessant herauszufinden, warum ein kunstgeschichtlich unbedarfter Künstler wie ich trotzdem Zugriff auf dieses Formenvokabular hat", gab Gursky einmal selbstbewusst zu Protokoll. Dass er selbst bald Turner-Gemälde fotografieren, sein Mitschüler Thomas Struth in Museen Meisterwerke und Betrachter aufnahm, Candida Höfer Bibliotheken ablichtete, untermauerte motivisch den kunsthistorischen Anspruch.

"Struffsky", der ironische Amalgamname für die erfolgreichsten Becher-Schüler Andreas Gursky, Thomas Struth und Thomas Ruff, war auch in den Galerien in Manhattan und den Auktionshäusern in London bekannt. Sammler waren begeistert; diese Generation junger Künstler wurde auf dem Markt sofort aufgesogen.

Ende der Neunzigerjahre schien es, als habe die technische Kunst endgültig die Malerei, Königsdisziplin auf dem Kunstmarkt, verdrängt: Gursky, Struth und Ruff wurden von bedeutenden Galerien vertreten und dominierten die Kojen der unzähligen Kunstmessen. Im Jahr 2011 wurde dann Andreas Gurskys Fotografie "Rhein II" bei einer Auktion mit einem Preis von 4,3 Millionen Dollar zur teuersten Fotografie der Geschichte. Und auch die Museen würdigten die Künstler mit Einzelausstellungen und Retrospektiven. Die Fotografie zog aus den engen, matt beleuchteten Kabinetten aus - und triumphierte in den bis dahin der Kunst vorbehaltenen Sälen, häufig auf Augenhöhe mit der Malerei.

Das Düsseldorfer Fotoinstitut, für das sich Andreas Gursky jetzt starkmacht, muss diesen Erfolg für die Zukunft absichern. Denn das technische Medium Fotografie, das sich so selbstbewusst in die Museen gedrängt hat, hält, was Dauerhaftigkeit angeht, nicht mit. Nicht umsonst hat der Spiegel sein Gursky-Interview mit dessen Zitat "So wird Fotografie unsterblich" überschrieben. Schon ein Vierteljahrhundert nach dem Boom werden die Probleme unübersehbar: Findige Sammler und Museen ließen sich schon beim Ankauf im Atelier ein zweites Werk mitgeben, das sie in tiefgekühlten Kellern verwahrten für den Tag, an dem das Original nicht mehr farbfrisch ist, die Verbindung zum Bildträger nicht mehr hält.

Ein neuer Ausdruck? Gerade wird die Produktion der 182 Zentimeter breiten Papierbahnen, die Gursky bevorzugt verwendet, eingestellt. Wer garantiert, dass seine Bilddateien in zwanzig Jahren noch lesbar sind? Und die Verdoppelung der höchst begrenzten Haltbarkeit, die von der originalen Kopie in der Klimakammer garantiert wird, ist ein schwacher Trost. Die Pigmente von Leonardo, Velázquez oder Picasso sind, sofern die Bilder unter musealen Bedingungen gelagert wurden, auch nach Jahrhunderten stabil und strahlend.

Solange die Reproduktionstechnik nicht garantieren kann, dass die Pixel noch in ein paar Hundert Jahren genauso ausbelichtet werden können oder dass ein Monumentalfoto ein paar Epochen hält, wird es vor allem darum gehen, die Autorität des Künstlers zu ersetzen. Das ist nicht so einfach, wie es klingt. Denn ein Werk, das Millionen kosten soll, muss nicht nur jetzt als kunsthistorisch bedeutsam gelten, es muss seinen Rang auch dann noch behaupten, wenn heutige Künstler, Kritiker, Sammler lange tot sind. Ohne die Signatur wird eine neue Belichtung, ein Nachdruck, eine Neuauflage nicht mehr sein als eine Kopie, bestenfalls eine zweite Version.

Im Konzept des Deutschen Fotoinstituts sind die Aufgaben "Nachlassverwaltung", "Neuproduktion" und "Zertifizierung" prominent aufgeführt. Denn man wird vor allem daran arbeiten müssen, Definitionen, Regeln, Verfahren zu etablieren, die glaubwürdig genug sind, den Tod des Originals zu überwinden. Mit Argumenten. Die Autorität einer öffentlichen Institution, die mit musealem und wissenschaftlichem Anspruch arbeitet, wäre eine Absicherung in die Ewigkeit.

Ende der Neunzigerjahre, als die Becher-Schule erstmals Auktionsrekorde brach, knurrte einer der Künstler am Rande eines Symposiums zu konservatorischen Problemen der Fotografie hörbar: "Am sichersten wäre es natürlich, unsere Aufnahmen auf Leinwände zu übertragen, in Öl - und von Kunstmalern."

© SZ vom 17.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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