Widerstand gegen Trump:Die Fehler der Trump-Gegner

'Not my President Day' protest

Widerstand formierte sich bereits während Trumps Wahlkampf. Doch ist der für alle sichtbar?

(Foto: AFP)

Hält der US-Präsident allem stand? Die Empörung der Zivilgesellschaft zeigt jedenfalls keine Erfolge. Ein Politologe erklärt, woran das liegen könnte.

Von Jan-Werner Müller

Zum Jahrestag der Amtseinführung Donald Trumps werden derzeit Dutzende Bücher auf den amerikanischen Markt geworfen, die vor dem Untergang der US-Demokratie warnen. Angesichts dieses politischen Pessimismus können sich die Resultate des selbstdeklarierten "Widerstands" gegen Trump aus der Zivilgesellschaft nach zwölf Monaten eigentlich sehen lassen: Mit Ausnahme des großen Steuergeschenks an die 0,1 Prozent hat Trump kein großes Gesetz zustande gebracht - und die Steuersenkung für die Happy Few hätte ein konventioneller republikanischer Präsident wohl auch durchgesetzt.

Steven Bannon, der die Welt wieder so "aufregend" machen wollte wie in den Dreißigerjahren, ist aus dem Trump'schen Universum verbannt. Ein Demokrat hat zum ersten Mal seit Menschengedenken einen Senatssitz im tiefsten Süden, in Alabama, gewonnen. Und in allen Wählergruppen verliert Trump stetig an Zustimmung.

Doch sollte man sich nicht zu früh freuen. Obwohl die Trump-Regierung auf allen Seiten Angriffsflächen bietet, hat sie auch eine ganz eigene Machtdynamik entwickelt: Jeder erfolgreiche Trump'sche Tabubruch stärkt ein Gefühl, der Mann sei unverwundbar. Zudem haben die Widerständler zahlreiche strategische Fehler begangen - aus denen auch antipopulistische Kräfte in Europa lernen sollten. Und die vielleicht stärkste Waffe der Zivilgesellschaft - massenhafter ziviler Ungehorsam - bleibt bisher entweder ungenutzt oder zeitigt kaum Resultate. Das liegt nicht am mangelnden Mut zum moralisch genau kalkulierten Rechtsbruch zwecks Demokratieschutz - es hat vielmehr mit dem Strukturwandel der Öffentlichkeit zu tun, unter dem so gut wie alle westlichen Demokratien leiden und der auch traditionelle Strategien zivilen Ungehorsams untergräbt.

Washington ist nicht Weimar. Hier scheitert eine Demokratie nicht, weil es zu wenig Demokraten gibt

Millionen sind marschiert, für Frauenrechte und um daran zu erinnern, dass die Naturwissenschaften kein Zweig der Meinungsindustrie sind. Eine Art linksliberale Empörungskultur hat sich verstetigt - vor allem durch "virtue signalling" per Twitter und Facebook, eine Art digitales Gutmenschentum. Gleichzeitig ist der Wille zum konfrontativen Protest aber langsam erlahmt: Am Anfang gingen viele Bürger noch zu den "town hall meetings" republikanischer Politiker, um lauthals Kritik anzubringen und als eine Art politische Zeugen zu agieren: "Wir sehen genau, was ihr tut, indem ihr diesen Mann unterstützt!" Inzwischen haben sie gemerkt, dass den Republikanern ihre Geldgeber offenbar wichtiger sind als Menschen aus ihren Wahlkreisen, die mit der Verfassung vor ihrem Gesicht herumwedeln.

Weniger offensichtlich ist die Tatsache, dass Trumps Teflon-Performance eine ganz eigene Art von Macht generiert. Egal, wie rassistisch seine Äußerungen, wie ignorant seine Ansichten - politisch überlebt er offenbar alles. Dieser Gedanke macht sich im Bewusstsein breit - was nicht zwangsläufig zur Resignation führen muss. Aber Standards und damit kollektive Erwartungen werden nach unten revidiert. Würde- und Schamlosigkeit schaffen eine neue Normalität - dem zu widerstehen scheint so notwendig wie zwecklos.

Die permanente Machtdemonstration - "Ich bin ein Bully, und keiner hat mich bisher des Schulhofs verwiesen" - zieht wiederum alle möglichen Mitmacher an. George W. Bush war stets von hervorragend ausgebildeten Juristen umgeben, denen er nur signalisieren musste, dass er etwas möglicherweise Verfassungswidriges im Schilde führte - und wenig später lagen die gelehrten Denkschriften zur umfassenden rechtlichen Absicherung auf dem Tisch. Trump lief mit seinem "Muslim Travel Ban" beim ersten Versuch vor die Wand der Justiz - zu offensichtlich handelte es sich um eine Form von Diskriminierung einer bestimmten Religion. Inzwischen ist der Präsident von Rechtsberatern umgeben, die wissen, wie man ganz legal Vorurteile bedienen kann.

Ein strategischer Fehler der Widerständler - und auch vieler prominenter Demokraten - war zweifelsohne, dass sie keine klare Trennlinien zogen zwischen zwei unterschiedlichen Phänomenen: auf der einen Seite die Ergebnisse des politischen Spiels, die man als Verlierer natürlich nicht gut findet; auf der anderen Seite die Versuche seitens eines Spielers, die Regeln des Spiels als Ganzes zu eigenen Gunsten zu ändern. Wer diese Unterscheidung nicht vornimmt, wird bei Trump-Wählern im Zweifelsfalle immer nur zu hören bekommen: "Egal, was er macht, ihr macht es madig."

Warum verdammen Verfassungspatrioten Trump nicht vehementer?

Dass Obamas Reform des Gesundheitssystems systematisch zurückgefahren wird, kann man mit sehr guten Gründen kritisieren - aber es ist letztlich "politics as usual" und stellt wohl kaum eine Gefahr für die amerikanische Demokratie dar. Dass die Republikaner im Senat bei wichtigen Entscheidungen de facto keine Debatte zulassen (und sogar ihren eigenen Leuten keine Möglichkeit geben, Gesetzesentwürfe halbwegs zu begreifen) - das ist nicht normal. Dass man durch allerlei legale Tricks Bürgern, die im Zweifelsfalle für die Demokraten optieren, de facto das Wahlrecht entzieht und dass ein Präsident durch sein Amt sich und seine Familie bereichert - das sind Dinge, welche Verfassungspatrioten, ob nun rechts oder links, unisono verdammen könnten.

Warum geschieht dies nicht vehementer? Washington ist nicht Weimar; hier scheitert eine Demokratie nicht, weil es zu wenig Demokraten gibt. Die "Grand Old Party" hat sich in der Tat Trump ausgeliefert und kann nicht mehr zurück. Die Wähler der Republikaner haben dies aber nicht - zumindest im Moment gibt es in den USA keine trumpistische Massenbewegung (wobei Trumps Erfolg damit, sich eine eigene "Basis" herbeizureden, auch wieder Machtgewinn durch Wahrnehmungsmanagement bedeutet). Nur hören eher rechts orientierte Bürger oft gar nicht von den Dingen, über die sich Widerständler empören. Schon im vergangenen Herbst zeigte eine Studie der Harvard-Universität, dass über viele Verfehlungen Trumps in den vielen Monaten des Wahlkampfes kaum berichtet wurde. Als naiver Beobachter der amerikanischen Politik hätte man angenommen, dass es zumindest eine Symmetrie der Skandale gab: Bei Clinton die ungesicherten E-Mails, auf der Gegenseite Pussygate und die betrügerische Trump-Universität (auch wenn sich diese Skandale kaum die Waage halten). Bei der Berichterstattung über Trump dominierte aber ein Thema völlig: Einwanderung. Es ist nicht so, dass man bei Fox News halt Nachrichten mit Rechtsdrall bekommt - viele Nachrichten bekommt man überhaupt nicht.

Wir alle lieben das Märchen. Bei Andersen ist die Prämisse aber, dass alle das Kind hören können

Dies erklärt auch, warum eine Strategie vielleicht nicht funktioniert, die generell nicht nur als normativ gerechtfertigt, sondern auch als empirisch höchst erfolgsversprechend in einer halbwegs funktionierenden Demokratie schien: ziviler Ungehorsam - also kalkulierter, möglichst öffentlichkeitswirksam vollzogener Rechtsbruch. Ungehorsam galt lange als von Demokratie-Theoretikern wie Jürgen Habermas und John Rawls philosophisch geebneter Königsweg, um Bürger auf Verletzungen kollektiv geteilter politischer Prinzipien aufmerksam zu machen und - im Idealfall - Mehrheiten zum Umdenken zu bewegen. Man brauchte eigentlich gar nicht nach dem Begriff "Widerstand" greifen, der immer gleich im Verdacht steht, der moralischen Selbstheroisierung zu dienen und falsche historische Parallelen zu suggerieren (die Trumpisten sind keine Besatzungsmacht, die der Maquis auf Leben und Tode bekämpfen muss).

"Civil disobedience" - welche Hannah Arendt als eine besondere Errungenschaft der USA bewunderte - könnte noch zum großen Thema der Trump-Jahre werden, sollten liberale Städte oder gar ganze Bundesstaaten systematisch die Zusammenarbeit mit der amerikanischen Bundesregierung aufkündigen und auch einfache Bürger wie zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung in den Sechzigerjahren massenweise ins Gefängnis gesteckt werden. Aber auf den Erfolg dieser Strategie kann man nicht wetten. Und das hat strukturelle Gründe.

Wir alle lieben das Märchen, in dem es nur ein Kind braucht, um die Wahrheit über des Kaisers neue Kleider kundzutun. Aber bei Hans Christian Andersen ist die Prämisse, dass alle das Kind hören können. In den extrem politisch zerklüfteten Öffentlichkeiten in den USA verhallt das Wort aus Kindermund oftmals ungehört (wobei natürlich manche Bürger den Kaiser auch noch als nacktes "stabiles Genie" super finden würden).

Widerstand ist nicht zwecklos. Aber die strukturellen Probleme der amerikanischen Demokratie machen ihn um vieles schwieriger, als die linksliberale Empörungskultur in ihren Echokammern suggeriert: Die Rolle des Geldes in Wahlkämpfen, welche gestandene Politiker zu Bittstellern bei Milliardären degradiert, die rechten Medien, welche Populismus und Polarisierung zu Big Business gemacht haben, das Zurechtschneiden der Wahlkreise zum eigenen parteipolitischen Nutzen, bei dem auch die Demokraten fleißig mittun. Wer von all dem nicht reden will, sollte auch von Trump erst mal wieder schweigen.

Jan-Werner Müller lehrt Politische Theorie und Ideengeschichte in Princeton.

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