"Wetten, dass..?":Das Labern gegen die Zeit

Wie viel Qualität verträgt das Fernsehen? Diese Frage beantwortet Thomas Gottschalk mit Altherrenwitz. Stargast Pink dürfte sich gewundert haben.

Hans-Jürgen Jakobs

Vor kurzem ist etwas Bedeutendes im Leben des Thomas Gottschalk passiert. Er hat sich im Fernsehen 30 Minuten mit dem langjährigen deutschen Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki über das Generalthema "Qualität" unterhalten und später über Barack Obama diskutiert. Es sickerte durch, dass sich der jugendliche TV-Showmaster selbst als "Intellektueller" versteht.

"Wetten, dass..?": Bizarrer Berufsjugendlicher: Moderator Thomas Gottschalk.

Bizarrer Berufsjugendlicher: Moderator Thomas Gottschalk.

(Foto: Foto: AP)

Wer gedacht hat, der Mann moderiere demnächst vielleicht das "Philosophische Quartett" seines Mainzer Haussenders ZDF, der sieht sich getäuscht.

Gottschalk macht wie gehabt weiter in seinem fröhlich-wurstigen Moderationsstil bei "Wetten, dass..?", gibt mit seinen 58 Jahren einen bizarren Berufsjugendlichen und bringt es auch mit seiner bemerkenswerten Kompanie wirklicher Stars nicht zum Glanz von Gesprächskultur.

Nein, Gottschalk schafft es, einen Weltstar wie Pink neben sich weitgehend unbeachtet zu lassen. Er lässt den Olympiasieger Matthias Steiner, der seine Wette verlor, mit seinen Gewichtheberhänden sticken und interessiert sich nicht mehr fürs erstickte Ergebnis. Er nennt den Starkoch Jamie Oliver "Jeremy", so wie den Jungen, der die Namen aller 43 US-Präsidenten wusste. Er ist eigentlich heillos überfordert mit der Menschenansammlung auf seiner weißen Couch.

Immerhin saß da eine lächelnde Uma Thurman neben ihm und verbreitete buddhistische Glückskeksgefühle. Das half angesichts der belanglosen, zuweilen sogar einschläfernden Kommunikation, für die der blonde Gastgeber verantwortlich war - ganz nach dem Motto: Wir labern die Zeit zu Tode.

Die Einsamkeit der Krafträume

Vielleicht war sich Thomas Gottschalk allzu bewusst, dass er als geouteter "Intellektueller" nach dem Reich-Ranicki-Abenteuer etwas Besonderes am Samstagabend bieten müsse. Und, tatsächlich: Der Quotenhengst des ZDF redete auf einmal von der "Einsamkeit der Krafträume", ließ Kinder den Flohwalzer und "Für Elise" auf dem Klavier spielen und ging etwas auf die US-Wahl ein - wobei er ein gewisses Grundwissen voraussetze.

Angesichts des in der Berliner Halle aufgebauten "Original-Präsidenten-Schreibtischs" platzierte der Qualitätsexperte den Witz, es sei gar nicht zu glauben, dass da mal jemand drunter gepasst habe. Dass in der Zeit von Bill Clinton und Monica Lewinsky das Oval Office zum Oral Office geworden war, dürfte nicht auf Anhieb jedem präsent gewesen sein.

Das war noch der beste von Gottschalks Altherrenwitzen. Dieser Humor half ihm aber erkennbar in der Ansprache der diesmal vielen Kinder und Jugendlichen im Saal überhaupt nicht weiter. Von oben herab wollte er die Kleinen so ein bisschen durch den Kakao ziehen und schnell Gags platzieren, was aber die Unsicherheit seiner Gäste noch steigerte. Ins Zeugnis gehört hierfür ein "mangelhaft".

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum sich Günther Jauch selbst als "talibanös" bezeichnet ..."

Das Labern gegen die Zeit

Früh brachte der ausgebildete Lehrer Gottschalk seinen Freund Günther Jauch ins Spiel, der ja stets Seriosität und Klugheit symbolisiert, sodass die Deutschen ihn in Umfragen gerne als idealen Bundespräsidenten erwähnen. Dass sich der RTL-Mann im ZDF zum Kasperle machte, mit langer schwarzer Strumpfbekleidung auf der Bühne rhythmische Sportgymnastik imitierte und den sterbenden Schwan spielte, selbst das dürfte seiner Popularität keinen Abbruch tun.

Ansonsten wirkte Jauch authentisch sauertöpfisch, als er verkündete, seinen vier Töchtern auf keinen Fall Piercing zu erlauben - da sei er "talibanös". Wahrscheinlich musste der Nachwuchs im Postdamer Eigenheim ganz viel "Für Elise" spielen. Und doch durfte Jauch bei "Wetten, dass..?" von seinem Freund Gottschalk erfahren, dass er die "German version" of Kid Rock sei, der im ZDF sein "All Summer long" zum Besten gab.

Neben dem coolen Kid Rock und Pink spielten auch noch Alicia Keys und Simply Red auf. Die Musik war eindeutig das Beste einer Show, die selbst auf ein dämliches Zuschauergewinnspiel mit einer Preisfrage auf Neun-live-Niveau nicht verzichten kann. Offenbar geht es nur darum, den Preis - ein teures Automobil aus Ingolstadt - vor Millionen zu präsentieren, wobei Gottschalk wie ein Vertreter erzählte, es verbrauche sechs bis sieben Liter. Holla!

Da brachte wenigstens die famose Uma Thurman mit ihrer Idee etwas Pfeffer in den faden Couch-Talk, dieses Auto hätten in Wahrheit die Wettkönige verdient: Rene zog sich auf Saugnäpfen an der Außenfassade einen Hochhauses hoch und war dabei schneller als sein Freund, der das Treppenhaus aufwärts stürmte.

Der Samen des Kabeljau

Ganz wichtig war es Thomas Gottschalk in seiner ZDF-Show, seine Gäste Ulrike Kriener und Anke Engelke und ihren ZDF-Krimi "Kommissarin Lucas" ausgiebig zu promoten, der Ende November läuft. Da sollten die Zuschauer bitteschön ja ihr "Dings in der Hörzu" machen.

Immerhin konnte Anke Engelke helfen, als Jamie Oliver "Cod's semen" als Speise erwähnte. Was ist das denn, fragte sich wohl Gottschalk und übersetzte "Cod" mit Schellfisch statt mit Kabeljau. Erst Engelke brachte mit dem definitorischen Begriff "Ejakulat" für "semen" etwas Klarheit in die Diskussion. Man fragt sich bei Gottschalk im Übrigen immer wieder, wie jemand, der mehrere Monate im Jahr in Kalifornien lebt, so schlecht Englisch spricht.

Zur Chaotik dieser "Wetten, dass..?"-Ausgabe passte, dass dem blond gelockten Moderator am Ende unklar war, ob er seine eigene Stadtwette nun verloren oder gewonnen hatte. Vielleicht war er in Gedanken ja noch bei Marcel Reich-Ranicki - und der Frage, wie viel Qualität das Fernsehen verträgt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: