Süddeutsche Zeitung

Wettbewerb:Lichte Klänge

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Noch bis Anfang März stellen sich beim BMW Welt Jazz Award die Musiker in Konzerten vor. Bisher konnte man im Programm schon bezaubernde Momente erleben

Von Dirk Wagner

Elf Jahre hatten sich Jazzfans an jeweils sechs Morgen aus dem Bett gequält, um in den Sonntagsmatineen des BMW Welt Jazz Awards den Biorhythmus dem Jazzrhythmus unterzuordnen. Im zwölften Jahr hat man mit dem Motto "The Melody At Night" die Veranstaltung auf einen Jazz-freundlicheren Dienstagabend verschoben. Die ursprüngliche Überlegung, mit der Bereicherung des Münchner Jazzlebens bewusst nicht in Konkurrenz zu anderen Veranstaltern zu treten, ist damit allerdings in Vergessenheit geraten. Denn wenn dienstags um 19 Uhr internationale Größen wie der polnische Jazzgeiger Adam Bałdych noch dazu bei freiem Eintritt im Doppelkegel der BMW Welt spielen, sind das natürlich Argumente gegen andere Veranstaltungen.

Doch wen interessiert die Konkurrenz, wenn das Adam Bałdych Quartet gerade eine der erhabensten Musiken des 16. Jahrhunderts in die Jazzgegenwart überträgt: die vierzigstimmige Motette "Spem In Alium" von Thomas Tallis, deren magische Schönheit bereits das Kronos Quartet als Streichquartett zu schöpfen wusste. Majestätisch schreitet die große Konzerttrommel des Schlagzeugers David Fortuna in den instrumentalen Zwiegesang des Geigers mit seinem Pianisten Krzystof Dys. Zugleich haftet jenen tiefen Trommelschlägen auch etwas Bedrohliches an, das, aus der Frühzeit der Musik schallend, die Hörer noch immer ermahnt. Dem stehen lichtere Jazzvariationen insbesondere der Geige gegenüber, die zuversichtlich durch das Dunkel geleiten, ohne sich jedoch davon zu distanzieren. Vielmehr werden Licht und Dunkel eine wundersame Einheit, so wie auch Gegenwart und Vergangenheit in dieser Musik eine zeitlose Unität bilden. Nachhören kann man das auf dem bei Act erschienenen Album "Sacrum Profanum", auf dem Bałdych mit einer auch im Doppelkegel dargebotenen Komposition der Mystikerin Hildegard von Bingen bis zu den Anfängen des zweiten Jahrtausends hinabtaucht. Scheinbar schwerelos gibt sich der Geiger auch tänzerisch seiner Musik hin, die er seinem Streichinstrument, nicht selten wie ein Gitarrist die Saiten zupfend und dehnend, entlockt. Als würde der Körper die virtuos über die Saiten rasenden Finger zusätzlich antreiben, beugt sich der Geiger vor und zurück, knickt in den Knien ein und streckt sich in die Höhe.

Kurzweiliger sind selten 90 Minuten verflogen, die anders als in den Matineen ohne Pause geboten werden. Die fehlte hingegen im langatmigen Auftritt des norwegischen Cecilie Grundt Quintets. Und auch beim lyrischen Konzert des Andrea Hermenau Quintets störte das Treiben an der Bar, das sich in den Matineen auf die Pausen konzentriert hatte. Dann freilich sehnt man sich zurück in jene viel zu frühen Matineen, als einem freundlich die Wintersonne durch die Glaskuppel ins Gesicht schien, derweil Kaffeearomen den Jazzgenuss belebten.

Ob Faschingsdienstag die moderne Jazzauslegung der Luxemburger Reis, Demut und Wiltgen gegen das allgemeine Treiben in der Stadt ankommt, bleibt abzuwarten. Eine musikalische Oase bietet deren Mix ohnehin. Der italienische Pianist Giovanni Guidi hin-wieder hat sein legendäres Trio für das neue Programm "Avec Le Temps" zum Quintett erweitert, das er das Giovanni Guidi Inferno nennt. Am 10. März schließt dieses Inferno die Vorrunde des Wettstreits, zu dem am Dienstag, 18. Februar, der Schlagzeuger Peter Gall mit seinem Quintett geladen ist. Zwei Bands spielen nach dem Urteil einer Fachjury am 9. Mai im Finale. Dafür sind jetzt schon Eintrittskarten erhältlich.

BMW Welt Jazz Award , alle Termine unter www.bmw-welt.com

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SZ vom 13.02.2020
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