Wettbewerb der Saxofonisten:Ein Überflieger

Rudresh Mahanthappa beim BMW Welt Jazz Award

Von Ralf Dombrowski

Einerseits ist es ein Wettbewerb. Die Musiker, die während der alljährlich sechs Sonntagsmatineen in der BMW Welt antreten, um ihre aktuellen Projekte zu präsentieren, können auf einen weiteren Auftritt im Finale hoffen, der ihnen Reputation und ein anständiges Preisgeld verschafft. Auf der anderen Seite sind die für das Publikum kostenlosen Konzerte im Doppelkegel des automobilen Event-Palastes für sich eine eigene Veranstaltungsreihe, in der die Jury der Verlockung nicht widerstehen kann, auch Stars auf die Bühne zu laden, die eigentlich in einer Competition nichts mehr zu suchen haben.

Wem beispielsweise soll Rudresh Mahanthappa, vielfach ausgezeichneter Saxofonist, Komponist und Leiter der Jazz-Abteilung an der Princeton University, noch beweisen, dass er mit seinem Instrument zur Weltelite im Jazz gehört? Es ist grandios, ihn mit einem langen und aufregenden Konzert im Rahmen der Matineen zu erleben. Aber es macht wenig Sinn, ihn und sein Quintett der Alleskönner in einer Linie mit Kollegen zu präsentieren, die wie Matthieu Bordenave oder Maria Faust an Konzepten arbeiten, die auf Kammermusikalisches setzen und weit weniger mit überbordender, wenn auch gestalterisch zielführender Virtuosität arbeiten als der amerikanische Gast.

Sei's drum, am Ende wird einer oder eine der fünf Konkurrenten wohl gegen ihn antreten müssen und beim Finale am 4. Mai zeigen müssen, wie sich die Level der Gestaltungsmacht vertragen. Bis dahin bleiben immerhin Konzerte in Erinnerung, die für sich schon ein Erlebnis waren. Mahanthappa jedenfalls kam mit einem Team nach München, das auf betörend selbstverständliche Weise organisch wirkte, obwohl die Musik hochkomplex war. Pate stand der Bebop-Genius Charlie Parker, dessen Kompositionen als Palimpsest für Überlagerungen aus dem Geiste der Modernität dienten. Mahanthappa selbst überzeugte neben makelloser Virtuosität durch seine Fähigkeit zur Feindifferenzierung von Dynamik und Dramaturgie, zur Verdichtung von Spielenergie, ohne die Durchlässigkeit der Interpretation zu verlieren. Die Musik war übervoll, ohne so zu wirken, ein famoser Kunstgriff, Intellektualität mit Erleben und emotionaler Nachvollziehbarkeit zu impfen.

Zwei Wochen zuvor hatte die estnische Saxofonistin Maria Faust ein ganz anderes Bild ihres Instruments präsentiert. Denn sie verstand ihre Musik, die sich schon durch die ungewöhnliche Besetzung unter anderem mit zwei Kontrabässen und einem Violoncello von den anderen Bands des Wettbewerbs absetzte, als ein Klanglabor der Verarbeitung traditioneller Elemente aus der Perspektive der Improvisation. Auch ihre Musik entwickelte Dichte, Präsenz, Klarheit, trotz konzeptionellen Überbaus. Matthieu Bordenaves Achipel-Trio schließlich reduzierte das Energie-Level ganz auf den kammermusikalischen Aspekt und entwickelte sein Farbenspiel in ruhigen, verhaltenen Details.

So gesehen war die zweite Hälfte der Matineen des BWM Welt Jazz Awards ungemein vielschichtig.

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