Ein Pferd ist dazu bestimmt, über die Prärie zu rennen. Und ein Cowboy ist dazu bestimmt, zu reiten." Es ist das Credo des alten Westens, das Brady Blackburn (Brady Jandreau) hier formuliert. So wie der Ritter früher ein Reiter war, ist es auch der Cowboy. Wenn man ihn zum Fußgänger oder Autofahrer macht - was bleibt von seinem Selbstverständnis übrig?
Genau das ist die Frage in "The Rider", Chloé Zhaos bemerkenswertem Neowestern. Ihre Erzählung fußt auf den Erlebnissen ihres Hauptdarstellers: Zhao lernte Brady Jandreau 2014 bei den Dreharbeiten zu ihrem Debütfilm "Songs My Brother Taught Me" im Pine Ridge Reservat in South Dakota kennen,
Jandreau ist Nachkomme von Lakota-Sioux-Indianern. Wie er mit Pferden umgehen kann, beeindruckte sie, ebenso sein ernstes, empfindsames Gesicht. Sie wollte mit diesem melancholischem Pferdeflüsterer einen eigenen Film drehen - und als Jandreau zwei Jahre später bei einem Rodeo-Unfall schwer verletzt wurde, hatte Zhao den Stoff dafür.
Wenn "The Rider" beginnt, ist die Katastrophe schon passiert. Eine monströse Wunde zieht sich, grob getackert, über Bradys Kopf. Darunter ist eine Metallplatte; sie wurde Brady eingesetzt, nachdem ihm beim Rodeo eine wilde Stute den Schädel eingetreten hatte. Der Cowboy darf nie wieder reiten. In einem anderen Film wäre das vielleicht eine Herausforderung, die dazu dient, am Ende überwunden zu werden. So einfach ist es in "The Rider" nicht.
Natürlich wird Brady trotz der Warnungen der Ärzte wieder auf einem Pferd sitzen. Überwältigend schön sind diese Momente fotografiert - ein Mann, galoppierend vor malerischer Kulisse, fotografiert in der magic hour bei tief stehender Sonne und verzauberndem Licht.
Kein Raum für Illusionen
Hier ist der Western (und der Westerner) in seinem Element. Gleichzeitig macht die Kamera von Joshua James Richards die Erschütterungen, denen Bradys Kopf dabei ausgesetzt ist, fast körperlich spürbar. Chloé Zhao, die auch das Drehbuch geschrieben hat, lässt keinen Raum für Illusionen, wenn sie zeigt, wie Bradys rechte Hand immer wieder krampft, wenn er seine wenigen Ritte damit bezahlt, dass er irgendwann kotzend im Gras kauert.
Brady, der Pferde versteht wie kein anderer, dessen Leben nur als Reiter sinnvoll erscheint, sollte den Sattel tatsächlich an den Nagel hängen. Aber was wäre die Alternative? Wenn man den Cowboy, den man immer nur in der kargen Prärie erlebt hatte, der durch Gras stapft wie durch das Fell eines Riesentieres, plötzlich Regale in einem Supermarkt einräumen sieht, wirkt er wie auf einen fremden Stern verbannt.
Es ist mehr oder weniger Brady Jandraus eigene Geschichte, die "The Rider" erzählt - tief im Milieu des Indianerreservats, in dem sie spielt. Ähnlich wie in Debra Graniks großartigem "Winter's Bone" (2010), der im Waldgebiet der Ozarks in Missouri angesiedelt war, sind es auch hier die Ränder der amerikanischen Gesellschaft und gleichzeitig Amerikas "Heartland", das die Regisseurin mit großer Zuneigung für ihre Personen und deren Lebenswelt ausleuchtet.