Lesung in München:"Mein Jimmy" - ein Kinderbuch übers Sterben

Lesezeit: 4 min

Madenkrähe Hacki teilt sich mit seinen drei neuen Freunden Macki, Lacki und Herbert ein Zebra - und die Erinnerung an seinen besten Freund, das Nashorn Jimmy. (Foto: Mehrdad Zaeri/Tulipan Verlag)

Werner Holzwarth hat vor 30 Jahren mit "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat" einen Welterfolg gelandet. Nun stellt er sein neues Buch in München vor.

Von Barbara Hordych

Sein erstes Buch entwickelte sich zu einem Erfolg, der in über 30 Sprachen übersetzt wurde und weltweit eine Auflage von drei Millionen erreichte: "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat", erschienen vor 30 Jahren, ist bis heute ein bei Kindergarten- und Grundschulkindern heiß geliebter Klassiker. An diesem Donnerstag stellt der erfolgreiche Autor Werner Holzwarth, 72, sein neues, im Münchner Tulipan Verlag veröffentlichtes Bilderbuch "Mein Jimmy" im Arena-Filmtheater vor. Sein erstes wie sein jüngstes Werk entstanden in Zusammenarbeit mit seinen Söhnen - damals war es der mittlerweile 34 Jahre alte Julian, heute ist es der neunjährige Tim, der seinen Vater auch zur Buchpräsentation in München begleiten wird.

Wie muss man sich diese Zusammenarbeit konkret vorstellen, schließlich waren beide Söhne bei der Entstehung der Bücher noch im Vorschulalter? "Wie in vielen Familien gab es auch bei uns das Einschlafritual einer abendlichen Gute-Nacht-Geschichte. Bei uns war es so, dass Julian mir Stichwörter wie Schatztruhe oder Prinzessin nannte und ich dazu eine Geschichte erfinden musste", sagt Werner Holzwarth. An diesem besonderen Tag waren er und sein Sohn bei einem "Männerpicknick" im Park in Frankfurt gewesen.

Bilderbücher
:"Kinder müssen auch mal irritiert werden"

Müssen rosafarbene Glitzerbücher raus aus Kinderzimmern? Wie prägend sind Bücher für Kinder? Und worauf sollten Eltern beim Vorlesen achten? Ein Bilderbuchforscher im Gespräch.

Interview von Sabrina Ebitsch

"Da kamen plötzlich zwei Hunde angelaufen, der eine setzte einen riesigen Haufen ganz in unserer Nähe. Der Hundehalter machte keinerlei Anstalten, den zu entfernen, auch nicht, als wir ihm hinterherriefen, dass das eklig sei", erinnert sich Holzwarth. Abends, beim Zubettgehen, war das gewünschte Stichwort dann passenderweise "Kackahund". Die Idee für den späteren Bestseller, in dem ein kleiner Maulwurf mit einem großen Haufen auf dem Kopf bei allen Tieren vorbeischaut, um den Übeltäter zu entlarven, war damit geboren. Die wiederum beweisen ihre Unschuld, indem sie ihm demonstrieren, wie ihre "Haufen" aussehen.

Ein Thema, das Kinder von jeher fasziniert, Erwachsene allerdings lieber vermeiden. Wie kam er, der seinerzeit als Texter und Creative Director in der Werbebranche arbeitete, darauf, genau daraus ein Buch zu machen? "Mein Sohn erzählte die Geschichte begeistert im Kindergarten weiter, seine Freunde lachten sich darüber kaputt; schließlich baten mich die Erzieherinnen, selbst in den Kindergarten zu kommen, um die Geschichte zu erzählen." Als dann auch noch das passende Ende gefunden war - eine Fliege als "Expertin" hilft dem kleinen Maulwurf, den Hofhund Hans-Heinerich als Verursacher des Haufens zu identifizieren -, rieten ihm die Erzieherinnen, daraus ein Buch zu machen.

Die Verlagsvertreter auf der Frankfurter Buchmesse, denen er seine Idee präsentierte, sahen das allerdings anders. "Das können Sie ruhig schreiben, dass damals alle, wirklich alle Verlage das Manuskript ablehnten", sagt Holzwarth. Das Erfreuliche an solchen Absagen ist, dass sie im Nachhinein all jene recht dumm dastehen lassen, denen der spätere Verkaufsschlager entging. Erst die Verlagsleiterin Gertraud Middelhauve habe ihm den Tipp gegeben, erst noch nach einem Illustrator zu suchen, sagt Holzwarth, der sich seinerzeit nicht nur mit tierischen Hinterlassenschaften, sondern auch mit der Reihe "Business Jokes" in der FAZ  beschäftigte.

"Dabei lernte ich Wolf Erlbruch kennen und zeigte ihm mein Manuskript. Er sprang sofort an, entwarf einige Zeichnungen", sagt Holzwarth. Die Fassung legten sie Hermann Schulz vom Peter Hammer Verlag vor, "und der griff sofort zu". Auch für den Verleger Schulz war das Maulwurf-Projekt des Duos Holzwarth/Erlbruch eine Zäsur: Es war 1989 der entscheidende Schritt beim Aufbau seines Stil prägenden und erfolgreichen Bilderbuch-Programms.

Mit "Mein Jimmy" präsentiert Werner Holzwarth nun erneut ein Werk, zu dem ihn ein kleiner Junge - sein jüngster Sohn Tim - inspirierte. "Im Kindergartenalter wurde er oft damit konfrontiert, dass seine Freunde mich für seinen Opa hielten, das ging auch an der Grundschule so weiter", erzählt Holzwarth. Das machte seinem Sohn durchaus zu schaffen, erinnert er sich. "Nur wenn er ihnen dann erzählte, dass ich der Autor vom kleinen Maulwurf bin, war ich auf einmal cool. Denn den kannten natürlich alle."

Doch sein Alter blieb für Tim fortan ein Thema. "Vor allem, weil von da der Weg zu dem Gedanken, dass ich bald einmal sterben könnte, nicht weit war. Das hat Tim belastet". Um ihn zu trösten, dachte sich Holzwarth, der neben seiner Lehrtätigkeit als Professor für Visuelle Kommunikation an der Bauhaus-Universität in Weimar inzwischen rund 20 Kinderbücher veröffentlicht hat, sein neues Werk aus.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

In "Mein Jimmy" realisiert die Madenkrähe Hacki, die dem Nashorn Jimmy die Insekten vom Rücken pickt, dass ihr bester Freund immer müder wird und am Liebsten nur noch herumliegen mag. Das Thema Sterben steht im Zentrum, das wird rasch klar. Zu dem aber zweifellos auch das Leben gehört. Beispielsweise in der Erinnerung an gemeinsam bestandene Abenteuer wie das "Affenschütteln" und Löwenverjagen. "Alles, was wir erlebt haben, wird uns keiner mehr wegnehmen. Das gehört uns. Für jetzt und alle Zeiten", tröstet das von Seite zu Seite kraftloser werdende Nashorn seinen Freund Hacki.

Die Geschichte habe seinen fünfjährigen seinerzeit Sohn so gepackt, dass er nicht nur half, die Witze, die sich Hacki und Jimmy erzählen, auszusuchen. Sondern er malte zu den Szenen auch Bilder. Zwei davon sind in dem zugleich wehmütig und froh stimmenden Buch neben den Illustrationen von Mehrdad Zaeri abgedruckt. "Bald wird für dich alles wieder gut", versichert das Nashorn seinem Freund. "Irgendwann wachst du auf, und die Sonne scheint, und ein anderes Nashorn kommt oder ein Zebra oder ein Nilpferd, und dann hast du einen neuen Freund." Jimmy soll recht behalten. Am Ende ist Hacki mit drei anderen Vögeln zu sehen, "netten Burschen", wie er sagt. Sie teilen sich ein Zebra - und die Erinnerung an Jimmy, den verstorbenen besten Freund.

"Wenn ich jemandem helfen und ihn trösten kann mit dem Buch, dann hat es für mich seinen Zweck erfüllt", sagt Holzwarth. Anders als damals habe er für sein jüngstes Buch in der Tulipan-Verlegerin Mascha Schwarz sofort eine Interessentin auf der Kinderbuchmesse in Bologna gefunden. Um ihn zur Buchpräsentation begleiten zu können, hat Tim, der inzwischen die vierte Klasse besucht, extra schulfrei bekommen, erzählt sein Vater. Auf die Lesung am Vormittag in einer Münchner Schule freue sich sein Sohn besonders. "Es ist für ihn so etwas wie sein Buch."

Mein Jimmy ; Donnerstag, 17. Januar, 19 Uhr, Arena-Filmtheater, Hans-Sachs-Straße 7, Voranmeldung unter Telefon 330 35 40 11

© SZ vom 17.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Geschlechterrollen
:Kinderbücher, die uns ärgern - oder freuen

Wer Kinder hat, liest vor - manchmal begeistert und erinnerungsselig und manchmal sehr genervt von Geschlechterklischees.

Von SZ-Autoren

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: