Süddeutsche Zeitung

Werkstatt-Konzert:Gemeinsam spontan

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Die Reihe "Improvise Now!!!" im Haus der Kunst

Von Jürgen Moises, München

Es mag ein Zufall sein, dass die Free-Jazz-Musiker Peter Brötzmann, Peter Kowald, Alexander von Schlippenbach und Jost Gebers das Berliner Label Free Music Production 1969 und damit genau in dem Jahr gegründet haben, in dem Tony Allen zusammen mit Fela Kuti den Afrobeat erfand. Beides zusammen ergibt aber eine willkommene Klammer für den weiten historischen und geografischen Bogen, der bei der Veranstaltungsreihe "Improvise Now!!!" im Haus der Kunst gespannt wird. Diese weist sowohl beim Auftakt-Konzert von Tony Allen mit Moritz Oswald und Max Loderbauer an diesem Freitag in die 1960er zurück, als auch bei der Ausstellung über Free Music Production, mit der die Reihe im Sommer 2017 zu Ende geht.

Was den zugrunde liegenden Begriff der Improvisation angeht, dieser ist ebenfalls recht weit gefasst. Zwar wird es laut Markus Müller, der die Reihe zusammen mit Okwui Enwezor in Kooperation mit dem Goethe-Institut kuratiert, durchaus darum gehen, die Improvisation in ihrer bekannten Form als "spontane Komposition in einer zeitbasierten Situation" vorzustellen. Was zumeist so aussehen wird, dass es an jeweils zwei Tagen von Gesprächen begleitete Konzerte gibt. Aber darüber hinaus soll es auch um Bezüge zu Kunst, Film, Literatur, Tanz oder Theater gehen. Und, so könnte man sagen: um die Improvisation mit neuen Formen der Musikpräsentation oder -vermittlung.

Das zeigt bereits Teil Eins, der unter dem Titel "Into the Machine: From Turntable to Laptop" steht. So wird es etwa bei einem Gespräch mit Eddie Hatitye und Blinky Bill am Freitag um die Online-Plattform "Music in Africa" gehen. Diese wurde 2013 von der Music In Africa Foundation in Johannesburg mit dem Ziel einer transnationalen Vernetzung afrikanischer Musiker, Produzenten oder Veranstalter initiiert. Eine Vernetzung, die "als wahnsinnig produktiv empfunden wird", so Müller, der als Kurator bereits an der ECM-Ausstellung im Haus der Kunst beteiligt war sowie an der im März zu Ende gegangenen Ausstellung "I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920" im Kunstmuseum Stuttgart.

Beim "Monika Werkstatt"-Abend am Samstag werden dann Musikerinnen von Gudrun Guts Berliner Label Monika Enterprise wie Lucrecia Dalt oder Sonae sowie als Gast Jochen Irmler miteinander improvisieren. Und sie werden in diesem neuartigen "Werkstatt-Format" außerdem über ihre neuesten Alben, die Rolle von Frauen in der elektronischen Musik sowie über das Verhältnis von Programmierung und Improvisation sprechen. Aber zuvor wird Tobias Pettersson von 18 Uhr an sein Buch "Amon Düül II and the birth of Krautrock" vorstellen und Alexander Kluge seinen neuen Film über Improvisation. Darin demonstriert Helge Schneider unter anderem in der Rolle von Sir Simon Rattle eine weitere befreiende Wirkung der Improvisation: das Lachen.

Als Ergänzung dazu werden den ganzen Samstag über Filme von Kluge, Fassbinder und Syberberg aus den Jahren 1970 und 1971 laufen, an denen Amon Düül II mitgewirkt haben und in denen sich musikalische und filmische Improvisation vermischen. Bei "Improvise Now!!! Part 2" wird es dann am 1. und 2. Juli um das "Killasan Soundsystem" gehen und bei einem Symposium im November um ein Buch über Improvisation, das der New Yorker Posaunist und Musik-Professor George Lewis in diesem Sommer bei Oxford University Press herausgibt. Und das, prophezeit Markus Müller, das Zeug zum "zukünftigen Standardwerk" hat.

Improvise Now!!! Part 1, Freitag und Samstag, 29. und 30. April, 18 Uhr (Gespräch) und 21 Uhr (Konzert), Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1

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SZ vom 27.04.2016
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