Süddeutsche Zeitung

"Werk ohne Autor" in Venedig:Szene in neuem Donnersmarck-Film löst Debatte aus

  • "Werk ohne Autor", der neue Film von Florian Henckel von Donnersmarck, hat nach seiner Premiere auf dem Filmfestival von Venedig eine Debatte ausgelöst.
  • Bilder aus einer Gaskammer sind darin mit Bildern von der Bombardierung Dresdens parallel geschnitten.
  • Zuschauer haben diese visuelle Gleichsetzung kritisiert.

Von David Steinitz

Ob er sich sein Comeback so vorgestellt hat? Beim Filmfestival von Venedig feierte der Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck ("Das Leben der Anderen") am Dienstagabend die Premiere seines neuen Films (SZ vom 5. September). Und seitdem gibt es eine hitzige Debatte über eine Szene, die einigen Zuschauern übel aufgestoßen ist.

In "Werk ohne Autor", seinem ersten Film seit sieben Jahren, erzählt der 45-Jährige die Lebensgeschichte eines Künstlers namens Kurt Barnert, für die er sich lose von der Biografie des Künstlers Gerhard Richter hat inspirieren lassen.

Dieser Kurt Barnert, gespielt von Tom Schilling, wächst während des Zweiten Weltkriegs in der Nähe von Dresden auf, studiert in der DDR an der Kunstakademie und flieht schließlich in den Westen, wo ihm sein internationaler Durchbruch gelingt. Kurts künstlerische wie erotische Initialzündung ist seine Tante Elisabeth (Saskia Rosendahl). Sie prägt seine Leidenschaft für Kunst, und sie ist auch so etwas wie seine erste Liebe. Diese Tante gerät im Verlauf des Films in die Euthanasie-Maschinerie der Nationalsozialisten und wird nach einem ärztlichen Gutachten vergast.

Der Tod der Tante in der Gaskammer, nackt und dürr zwischen anderen Opfern, wird von Donnersmarck explizit gezeigt. Aber er geht noch weiter. Parallel dazu schneidet er den kleinen Kurt, der verschlafen und verschreckt im Nachthemd mit seiner Familie die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten beobachtet.

Eine fragwürdige ästhetische Überwältigungsstrategie

Mit dieser Parallelmontage stellt Donnersmarck eine Gleichzeitigkeit her, die für ihn beim Schnitt einleuchtend gewesen sein mag. Denn so bringt er den Filmabschnitt, der im Dritten Reich spielt, mit einem doppelten dramaturgischen Knall zu Ende.

Die ersten Zuschauer, die den Film nun in Venedig gesehen haben, bevor er am 3. Oktober regulär in den deutschen Kinos startet, waren freundlich gesagt aber doch verwundert über diese visuelle Gleichstellung von Gaskammern und Luftangriffen. Schafft der Regisseur dadurch doch einen mehr als zweifelhaften Bezug, was die geschichtliche Aufarbeitung angeht.

Donnersmarck reagierte auf Fragen nach der Szene bei der Pressekonferenz in Venedig ruppig und verwies auf das Leitmotiv seines Films. Dieses lautet: "Sieh niemals weg!" Das sagt die Tante zu Kurt, bevor die Sanitäter sie abtransportieren, das setzt Kurt später in seiner Kunst um, und das greift der Regisseur mit seiner Kamerafahrt in die Gaskammer und den Großaufnahmen der Luftangriffe wiederum auch visuell auf. Der amerikanische Verleih hat dieses Motto gleich als Titel übernommen. In den USA heißt der Film "Never Look Away" und tritt als deutsche Bewerbung um den Oscar für den besten ausländischen Film an.

Die Frage ist allerdings, ob "Werk ohne Autor" wirklich eine würdige Visitenkarte des deutschen Kinos ist, wenn sein Regisseur sich dieser fragwürdigen ästhetischen Überwältigungsstrategien bedienen muss, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu bekommen.

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Quelle:
SZ vom 07.09.2018/khil
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