Werk der Wahl:Information in Bewegung

Der Verleger Hubert Burda denkt nach über Hubert Gerhards Götterboten Merkur. Ein Gastbeitrag

Von Hubert Burda

Der Götterbote Merkur von Hubert Gerhard begrüßt die Besucher im ersten Saal der Ausstellung "Bella Figura - Europäische Bronzekunst in Süddeutschland um 1600" im Bayerischen Nationalmuseum. Wohl um 1590/93 von dem reichen Augsburger Handelsherrn Wolfgang Paller bestellt, steht die Figur dort neben weiteren bronzenen Merkur-Figuren berühmter Künstler wie Johann Gregor van der Schardt oder Adriaen de Vries, wie sie in dieser Fülle wohl bislang noch nie gezeigt wurden.

Der Götterbote Merkur überbringt den Menschen die Nachrichten des Göttervaters Jupiter. Als Gott der Beredsamkeit steht er wie keine andere Gestalt des Götterhimmels für das Wort und die zum Ziel führende Rede. Auch als Beschützer der Händler, der Reisenden, des Gewinns und des Reichtums wurde er verehrt. Vor allem seine Rolle als göttlicher Herold ist in den bronzenen Bildwerken der elegant bewegten oder in Eile herbeistürmenden Merkur-Figuren unmittelbar zur Anschauung gebracht. Merkur kann also auch als Gott der Kommunikation gelten und erscheint daher auch als Schirmherr unserer heutigen Medien- und Informationsgesellschaft, bei der es um Übertragungen von Informationen in Nanosekunden geht.

MerkurHubert Gerhard

Ein Bote in göttlicher Mission: Hubert Gerhard schuf seinen Merkur um 1590 in Augsburg.

(Foto: Bayerisches Nationalmuseum München)

Als Verleger und Kunsthistoriker fasziniert mich der Gedanke. Bildwerke wie die kostbaren und virtuos komponierten Bronzen in ihrer damals wohl ganz neuen, spektakulären Wiedergabe von Bewegung haben auch etwas mit der gesteigerten Beweglichkeit von Informationen und Waren in jener Zeit zu tun. Zur Entstehungszeit des Merkur von Hubert Gerhard hatten etwa die Fugger mit ihren Fuggerzeitungen eine Vorform der modernen Presse erfunden, bei der sie ihren Geschäftsbriefen Berichte zu Politik, Kriegsgeschehen sowie auch Klatsch beifügten, die in aller Herren Länder kursierten.

Weitere kostbare Kunstkammer-Bronzen, sakrale Bildwerke und große Brunnenfiguren werden im Bayerischen Nationalmuseum gezeigt, wo mit dieser Ausstellung Süddeutschland als bedeutendes Zentrum der Bronzekunst mit Leihgaben aus der ganzen Welt wieder ins Bewusstsein gerufen wird. Die kostbaren und technologisch aufwendig hergestellten Bronzen wurden für Auftraggeber wie die reichen Fugger oder die bayerischen Herzöge, aber auch für Kaiser Maximilian II. sowie seinen Sohn, Kaiser Rudolf II. geschaffen. Ihren Ursprung und ihr Vorbild hat diese Blütezeit der süddeutschen Bronzekunst in Florenz, wo der geniale Giambologna Hofbildhauer der Medici war. Einige seiner begabtesten Schüler haben für Augsburg und München Meisterwerke aus Bronze geschaffen. Als hochbegehrte Kunstwerke verehrten die Medici-Großherzöge wenigen Fürsten im Norden Bronzen als diplomatische Geschenke.

Hubert Burda und Christa Maar als "Botschafter im Kampf gegen den Krebs" ausgezeichnet, 2011

Der Kunsthistoriker und Verleger Hubert Burda ist Eigentümer der Hubert Burda Media.

(Foto: Robert Haas)

Einige der großartigsten Bronzen gelangten damals nach Süddeutschland. Bronzen zu besitzen oder in Auftrag zu geben, kam bei den Eliten in Mode. Neben den perfekt komponierten Aktdarstellungen wurde die Schönheit der lebendig erscheinenden Oberflächen in ihren vielfältigen glänzenden Schattierungen bewundert. Vielleicht ahnten die Auftraggeber und Sammler auch, dass die Bronzen ihre Dynastien und ihre Vermögen überdauern würden? Heute gehören diese Bronzen, die sich weiterhin vielfach im öffentlichen Raum befinden (oder aus Gründen ihres Schutzes durch Kopien ersetzt in Museen) zu unserem wertvollsten materiellen Kulturerbe.

Bella figura - Europäische Bronzekunst in Süddeutschland um 1600, Bayerisches Nationalmuseum, Prinzregentenstr. 3, bis einschließlich Pfingstmontag, 25. Mai, Fr. bis So., Di., Mi., 10-17 Uhr, Do 10-20 Uhr

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