"Wem gehört die Stadt?" im Kino:Showdown in Köln-Ehrenfeld

"Wem gehört die Stadt?" im Kino: Eigentlich soll alles immer so weitergehen, wie es war. Doch dann taucht plötzlich ein Investor auf: Anwohner auf einer Bürgerversammlung in Anna Ditges' Doku: "Wem gehört die Stadt? - Bürger in Bewegung".

Eigentlich soll alles immer so weitergehen, wie es war. Doch dann taucht plötzlich ein Investor auf: Anwohner auf einer Bürgerversammlung in Anna Ditges' Doku: "Wem gehört die Stadt? - Bürger in Bewegung".

(Foto: Film Kino Text)

Szene-Gelände oder Einkaufszentrum? Der Dokumentarfilm "Wem gehört die Stadt?" von Anna Ditges meidet zu Recht das Klischee vom guten Bürger und bösem Investor. Denn Besitzstandswahrung kann auch lähmen.

Von Thorsten Schmitz

Die Frage ist schlicht, die Antwort ist es nicht: Wem gehört die Stadt? Ja, wem eigentlich?

Die Kölner Filmemacherin Anna Ditges begibt sich in ihrer Dokumentation auf eine Reise in die Welt von Investoren, Anwohnern, Stadtplanern und Lebenskünstlern. Die Reise beginnt vor ihrer Haustür. Durch einen Zeitungsartikel erfährt Ditges, dass das szenige Helios-Gelände im Stadtteil Ehrenfeld an einen Investor verkauft worden ist und dort jetzt eine Shoppingmall errichtet werden soll. Stoff für einen Film, denkt sich Anna Ditges, schnappt sich ihre Kamera und filmt die erste Anwohneranhörung.

Welten prallen dort aufeinander, die Welt des Investors, die der Bürger, die der Stadtplaner. Der von einer leisen Ironie und großer Unabhängigkeit getragene Film seziert diese Welten, und am Ende ist man verwirrt: Wer sind jetzt noch mal die Guten und wer die Bösen?

Das Helios-Gelände ist ein Biotop im bunten Ehrenfeld. In seiner Mitte steht ein funktionsloser Leuchtturm, der um 1900 zum Wahrzeichen der Firma wurde, die Technik für Leuchttürme hergestellt hat. Auf dem Gelände tummeln sich Alternativ-Schreiner, Orchestermusiker, Polsterer, ein italienischer Delikatessensupermarkt und eine Kneipe namens "Underground". Im Sommer wird das Gelände zum Biergarten, ein türkischer Imbissbudenbesitzer brät Köfte, die Leute wippen unter Sonnenschirmen zu Reggaemusik.

Eigentlich soll es immer so weitergehen, plötzlich aber taucht der Investor auf, ein Enkel Konrad Adenauers, und kauft das Grundstück im Herzen Kölns. Mit Dolce Vita und Beschaulichkeit ist jetzt erst mal Schluss. Die Anwohner fürchten einen seelenlosen Konsumtempel und Gentrifizierung - und ignorieren dabei, dass sie längst selbst Teil der Gentrifizierung sind.

Der Film lässt keine Gewissheiten zu

Es ist ein Glücksfall, dass Anna Ditges der Macht ihrer Bilder vertraut und mit neugierigem Blick Szenen einfängt, die ohne Worte auskommen. Etwa dann, wenn die Aktivistin ihre Tomatenpflanzen auf dem Helios-Gelände inspiziert oder der Investor Golf spielt. Lustig wird es, als Ditges im vergilbten Büro des Bezirksbürgermeisters sitzt und dieser sie in Zigarettenrauch einnebelt, bevor er auch nur ein Wort sagt.

Auf den ersten Blick verkörpert der Investor Paul Bauwens-Adenauer das Klischee des Bösen: Er trägt blaue Anzüge, Krawatten und Designerbrille. Und wenn er redet, ist viel davon die Rede, dass seine Investition sich auch amortisieren müsse. Ditges zeigt einen Investor, der an seine Rendite denkt, der aber auch keine Anwohnerdiskussion auslässt.

Und sie zeigt Anwohner, die es am liebsten hätten, dass die Welt, wie sie sie kennen, für immer so bliebe. Der Film lässt keine Gewissheiten zu. Auffallend oft reden die Menschen der Bürgerinitiative von Zukunft und Jugendlichen. Doch in ihren Projektgruppen sitzen immer nur dieselben Mittvierziger, die Berufe haben und guten Wein schätzen. Erst als die Stadt mit der Idee kommt, man müsse auf dem Gelände eine Schule errichten, fällt den Bürgerrechtlern ein: Ach ja, daran haben wir ja noch gar nicht gedacht.

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Auf ihrer Website erläutert Anna Ditges die Hintergründe des Projekts.

Viel Zeit eingebracht

Der Film bricht mit Klischees. Er zeigt einen Investor, der sich auf Anhörungen ausbuhen lässt und trotzdem nicht das Weite sucht - und er zeigt Protagonisten der Bürgerinitiative, von denen einer offen zugibt: "Der normale Prozess ist, ich gucke aus dem Fenster, irgendwas wird gebaut, und ich ärgere mich darüber, weil irgendwelche Leute etwas machen ohne mich." Solche Sätze fängt man nur ein, wenn man sich viel Zeit lässt. Vier Jahre lang hat Ditges an dem Film gearbeitet.

Es müssen vier lange Jahre gewesen sein. Zig Anhörungen gab es, zig Projektgruppen wurden gegründet, um das Monster namens Einkaufszentrum zu verhindern. Und am Ende des Films, als sie mit ihren Eingaben, Petitionen, Änderungsvorschlägen schließlich Erfolg haben, spaziert der Investor durch Ehrenfeld und sagt: "Schade, dass es jetzt so nicht klappt. Wir wollten ja eigentlich kein normales Einkaufszentrum machen, sondern etwas ganz anderes."

Wem gehört die Stadt? Bürger in Bewegung, D 2014 - Regie, Kamera, Buch, Schnitt: Anna Ditges. Verleih: Film Kino Text, 87 Minuten.

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