Süddeutsche Zeitung

Weltweit:Zwischen den Regalen

Der gelernte Buchhändler Torsten Woywod bereist die Buchhandlungen der Welt. Er findet hippe Ladencafés, witzige Verkaufsideen, engagierte Buchliebhaber. Allerdings ist sein Reisebericht stellenweise arg naiv.

Von Jochen Temsch

Jules Verne sei Dank für all die Kalauer-Buchtitel: Gereist wird nicht nur in 80 Tagen um die Welt, sondern auch in 80 Tönen, Fettnäpfchen, Betten oder Frauen. Und jetzt also in 80 Buchhandlungen.

Der bibliophile Ansatz ist charmant. Er rückt Orte in den Mittelpunkt, die jenseits ihrer merkantilen Funktion auch Eigenschaften haben, die sie als Reiseziele qualifizieren. Sie können als Gebäude interessant sein, Treffpunkte darstellen und als kulturelle Institutionen mit dem Alltagsgeschehen in ihrem Stadtteil verwoben sein. Der Besuch einer guten Buchhandlung lohnt sich nicht nur zum Herumstöbern und Lesen. Er kann zum Verständnis des Landes selbst beitragen.

Der gelernte Buchhändler Torsten Woywod hat sich vor allem in Asien umgesehen und ist über Australien und die USA nach Südamerika gereist. Die Porträts der besuchten Buchhandlungen verbindet er mit Anekdoten von unterwegs. Dabei kann man als Leser schon mal die Orientierung verlieren. Hippe Ladencafés, witzige Verkaufsideen, engagierte Buchliebhaber gibt es überall auf der Welt, und das, was sie verbindet, ist in Woywods Zusammenstellung stärker als alles, was sie aus politischen oder kulturellen Gründen trennt. Das ist einerseits eine schöne Entdeckung, andererseits eine Schwäche des Buches. Beispielsweise wäre es interessanter zu erfahren, welche Literatur in China überhaupt erhältlich ist, als die Beschreibung der schicken Interieurs zu lesen. Doch was Reflexionen angeht, hat Woywod wenig zu bieten. Als er zufällig erfährt, dass ein Buchhändler mit der Konkurrenz aus dem Internet zu kämpfen hat, ist er überrascht, als handele es sich dabei nicht seit Jahren um das zentrale Problem der Branche. So klingt sein Reisebericht stellenweise arg naiv. Auch, was sein Fortkommen angeht. Manchmal wünscht man ihm, er hätte auch mal einen Reiseführer in einem der Läden erstanden und nachgelesen, wie etwa das U-Bahn-Netz Tokios funktioniert, anstatt staunend davor zu stehen. Am stärksten wird das Buch, wenn es vom Leben der Einheimischen handelt. In Malaysia etwa, wo vor einer Buchhandlung Armenspeisungen stattfinden - die einzige Szene, die die Erkenntnis durchblicken lässt, dass Bücher in vielen der bereisten Länder einen Luxus darstellen, zu dem nur die Oberschicht Zugang hat.

Dennoch taugt dieser mit Fotos ausgestattete, optisch ansprechende Band als alternativer Kulturführer zu grandiosen wie skurrilen Buchorten vom ehemaligen Theatersaal in Buenos Aires bis zum Kapselhotel in Tokio, wo die Gäste in Bücherregalen schlafen.

Leseprobe

Einen Auszug aus dem Buch stellt der Verlag auf seiner Internetseite zur Verfügung.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2017
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