Weltraum:Man muss nur alles verstehen

Auch Frauen erforschen heute die Wunder des Weltalls

Von Helmut Hornung

Der Schneemann heißt Arrakoth, ist rotbraun und ungefähr viereinhalb Milliarden Jahre alt. Seit Urzeiten also zieht er seine Bahn am Rand des Planetensystems - dort, wo das Sonnenlicht die ewige Nacht kaum zu erhellen vermag. Dennoch gelang es der Raumsonde "New Horizons" vor ein paar Jahren, den originell geformten kosmischen Klumpen sozusagen im Vorbeiflug zu fotografieren. Diese eindrucksvolle Aufnahme fügt sich gut ein in die Galerie von Fotos, die so etwas wie das Best-of des Universums präsentieren. Allein die opulente Bildauswahl rechtfertigt den Buchtitel, denn auf mehr als 200 großformatigen Seiten entfaltet sich vor den Augen des Betrachters in der Tat die Wundervolle Welt der Sterne. Da erscheinen die Meere des Mondes, die Vulkane der Venus oder die filigranen Zirren explodierter Sonnen. Weiter draußen im All begegnen einem die leuchtenden Feuerräder von Galaxien, das erste jemals gewonnen Abbild eines schwarzen Lochs und schließlich der Schnappschuss vom Nachglühen des Urknalls. Die Reise durch das All folgt einem ebenso einfachen wie gelungenen Muster: Auf jeweils einer Doppelseite beschreibt der Autor Will Gater ein astronomisches Objekt, das auf Fotos großer Observatorien gezeigt oder mit einfachen Illustrationen visualisiert wird. Die Texte sind verständlich geschrieben, bringen trotz aller Kürze die wesentlichen Informationen auf den Punkt und überfordern auch jene Kinder nicht, die mit dem Buch zum ersten Mal den Wundern des Weltalls begegnen. Aber selbst vorgebildete Leserinnen und Leser werden in jeder der etwa hundert Stationen auf Überraschendes und Spannendes stoßen - etwa auf Staubteufel, die über die Marsoberfläche fegen, oder einen stellaren Zombie, in dem die Materie so dicht gepackt ist, dass das sandkorngroße Stück eines solchen Neutronensterns auf der Erde rund 550000 Tonnen wiegen würde. Highlights aus der Forschungsgeschichte sowie ein ausführliches Glossar runden das Buch ab, das mit seinem ansprechenden Einband und dem Goldschnitt recht gediegen daherkommt. (ab 8 Jahre)

Dass die Himmelskunde derzeit ein wenig weiblicher wird, zeigt auch das Buch mit dem schlichten Titel "Das Weltall".

Ebenso wie viele andere Naturwissenschaften ist die Astronomie vor allem von Männern geprägt. Das ändert sich gerade, auf immer mehr wissenschaftlichen Veröffentlichungen stehen die Namen von Frauen. Und im Jahr 2020 ging der Physik-Nobelpreis unter anderem an die US-Amerikanerin Andrea Ghez für ihre Messungen im Zentrum unserer Milchstraße. Dass die Himmelskunde derzeit ein wenig weiblicher wird, zeigt auch das Buch mit dem schlichten Titel "Das Weltall". Darin laden sechs Astrophysikerinnen zu einem "Spaziergang durch die Geheimnisse des Universums" ein. Das Fazit gleich vorweg: Dem Team gelingt es hervorragend, nicht nur Jugendliche für die Faszination und Magie der Sternenwelt zu begeistern. Die Mischung aus anregender Sacherzählung, praktischen Tipps für eigene Beobachtungen und Experimente sowie die wunderbaren, teils großflächigen Illustrationen von Alice Beniero vermittelt in acht Kapiteln erstaunlich tiefe Einblicke in die aktuelle astronomische Forschung, aber auch in die reiche Historie dieser Wissenschaft. Als fiktive Erzählerin tritt ein junges Mädchen auf, dessen Schwester Astrophysikerin ist und selbst die kompliziertesten Zusammenhänge genial einfach erklären kann. So zum Beispiel die Frage, wie vor rund 13,8 Milliarden Jahren alles begonnen hat, um das Licht als Botschafter des Universums, um das Leben der Sterne, ferne Milchstraßen, Planeten oder um die Suche nach außerirdischem Leben. Alle, die jetzt für die Astronomie brennen, finden am Ende Links zu Webseiten sowie eine Liste von Apps und Computerprogrammen.

Was das Buch besonders macht, sind die eingestreuten Exkurse über die Biografien erfolgreicher Forscherinnen. Hier wird einmal mehr deutlich, dass "harte" Physik keine reine Männersache sein muss. Schließlich sind da noch die einfühlsamen kleinen Gedichte von Silvia Vecchini, die zu Reflexionen über Gott und die Welt anregen und dem außergewöhnlichen Buch eine poetische Leichtigkeit verleihen. In jedem Fall hat sich das Autorinnen-Kollektiv ein Zitat von Marie Curie zu eigen gemacht und es als Motto zum Einstieg gewählt: "Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen." (ab 12 Jahre)

Will Gater: Wundervolle Welt der Sterne. Mit Illustrationen von Daniel Long und Angela Rizza. Aus dem Englischen von Birgit Reit. DK Verlag, 2021.225 Seiten, 19,95 Euro.

Edwige Pezzulli u.a. Das Weltall. Ein Spaziergang durch die Geheimnisse des Universums. Mit Illustrationen von Alice Beniereo. Aus dem Italienischen von Ulrike Schimmig. Carlsen Verlag, 2021. 216 Seiten, 22 Euro.

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