Weltall:Das Ende der Grenzen

Weltall: Die Social-Media-Stars des Weltalls: Von links Kepler-22b, 69c, 452b, 62f und 186f. Ganz rechts die Erde. Die Neuentdeckungen ähneln ihr.

Die Social-Media-Stars des Weltalls: Von links Kepler-22b, 69c, 452b, 62f und 186f. Ganz rechts die Erde. Die Neuentdeckungen ähneln ihr.

(Foto: AFP/NASA)

Die Nasa sucht mal wieder nach einem bewohnbaren Planeten. Den hat sie zwar noch nicht gefunden, trotzdem: Ihre Anhängerschaft wächst und wächst - im Universum des Internets.

Von Johannes Boie

Wenn man vom Zentrum der Stadt Houston in Texas nach Südosten fährt, dann kommt man nach einer Viertelstunde an einen historischen Ort, nämlich dorthin, wo vor 45 Jahren der Satz empfangen wurde: "Houston, wir hatten ein Problem." In der nicht ganz korrekten Fassung "wir haben ein Problem" ist der Funkspruch von Apollo 13-Kommandant Jim Lovell einer der berühmtesten Sätze der Welt und Teil des größten Mythos der Gegenwart: der Weltraumeroberung.

In Houston kann man dann in ein Air and Space Museum gehen und sich ein echtes und ein nachgebautes Spaceshuttle anschauen, und wenn man da so steht und über die Ausstattung der Astronauten staunt und über ihren Mut, dann kann es passieren, dass man mit Nasa-Leuten ins Gespräch kommt, die ihren Kindern die glorreiche Vergangenheit ihres Arbeitgebers zeigen. Die Nasa, sagen manche ihrer Mitarbeiter, müsse zurückkehren zu dem, was sie einmal war. Sie müsse wieder die Institution werden, die Amerikas ewige Grenze, the frontier, verschiebt.

Die Siedler und die Cowboys haben diese Grenze in den Westen getrieben, bis an die Küste des Pazifiks. Die Nasa aber hat sie in den Weltraum getrieben. Für Amerikaner ist die Verbindung ganz eindeutig, und so kommt es, nebenbei bemerkt, dass in dem Western "Slow West", der gerade in den deutschen Kinos gestartet ist, ein Junge ins All starrt und davon träumt, mit der Eisenbahn zum Mond zu fahren.

Aber, ächzten manche Nasa-Leute noch vor nicht langer Zeit, in den letzten Jahren sei es halt viel darum gegangen, die Internationale Raumstation zu erreichen, Wissenschaftler hin und zurück zu fliegen, die Nasa als Busunternehmen.

Ein Glück, dass diese Phase vorbei ist. Nach neun Jahren Flugzeit hat die Sonde New Horizons im Juli den Zwergplaneten Pluto erreicht. Seitdem schickt sie Bilder des Zwergplaneten in nie gekannter Auflösung. Ein Planet, dessen Name jeder kennt, wird plötzlich zu einem Planeten, den man sich genau anschauen kann. Und Ende Juli entdeckte die Nasa mit ihrem Weltraumteleskop Kepler den Exoplaneten 452b, der der Erde relativ ähnlich ist, zumindest im Vergleich mit dem unbewohnbaren Gestein, das ansonsten durchs All rast.

Es geht nun also wieder um die großen Fragen: Wo können wir leben? Was ist da draußen? Wie lässt sich die Grenze verschieben? Entsprechend groß ist die Euphorie, vor allem im Netz. Die Nasa auf Instagram 4,2 Millionen Abonnenten, die regelmäßig die Bilder der Weltraumbehörde anschauen. Sie hat elf Millionen Fans auf Facebook und 11,6 Millionen Menschen folgen ihren Kurznachrichten auf Twitter.

Auf ihren Webseiten beantworten Wissenschaftler die Fragen der Weltall-Fans

Das sind lediglich die Zahlen der Hauptseiten, denn natürlich haben die Programme der Nasa noch mal eigene Accounts und Fans in sämtlichen sozialen Medien, über 500 sind es insgesamt und sie werden von einem professionellen Team bespielt, an dessen Spitze der Social Media Manager der Nasa steht, ein Mann namens John Yembrick. Er schickt auch Nasa-Wissenschaftler in offizieller Mission auf die populären Internetseite Reddit, um drängende Fragen der Nasa-Fans zu beantworten. Den ersten größeren Hype erlebte die Nasa dabei recht unverhofft, als bei der Marsmission 2011/2012, über Tage hinweg weniger das Fahrzeug mit dem hübschen Namen Curiosity (Neugierde) im Mittelpunkt stand als ein Ingenieur mit Irokesenfrisur, in den sich die Welt, die vor Computer- und Fernsehbildschirmen die Mission verfolgte, verliebte.

Yembricks Team macht einen ausgezeichneten Job, eine Pluto-Aufnahme von New Horizons erhält schnell mal eben 360 000 Herzchen von begeisterten Fans auf Instagram und sorgt für neue Fans im fünf bis sechsstelligen Bereich. Das alles ist natürlich auch viel PR für die Nasa. Mit der hohen Reichweite könne die öffentliche Einrichtung ihr Image nach Belieben verbessern oder sogar färben, beklagten jüngst Journalisten des amerikanischen Magazins Wired.

Tatsächlich generiert die Art der Kommunikation einerseits Begeisterung wie zuletzt Kennedy 1962: "We choose to go to the moon." (Wir habe uns dafür entschieden, zum Mond zu fliegen.) Filme wie "Gravity" (2013) und "Interstellar" (2014) beschert der Zeitgeist traumhafte Besucherzahlen.

Andererseits gehen auch ein paar Fakten im großen Social-Media-Sturm unter. Anders, als man in der Euphorie hätte glauben können, gibt es bislang noch keinen konkreten Umzugstermin von der Erde auf Kepler 425b. Der Exoplanet ist 1400 Lichtjahre von der Erde entfernt, ungefähr 8,2 Billionen Kilometer.

Das alles muss kein Problem für Houston sein. Die Nasa lebte schon immer von der Begeisterung der Menschen. Heute kommt ihr neben der Social-Media-Reichweite zu Gute, dass sich die Faszination für den Weltraum in den letzten Jahren auch aus anderen Gründen erneut ausgebreitet hat.

Die Startup-Szene investiert seit einigen Jahren auf ihre eigene, laute Art in Weltallprojekte: Paul Allen, Mitgründer von Microsoft arbeitet erneut an einem Flugzeug für private Reisen, Fluglinienchef und Unternehmer Richard Branson versucht sich am selben Ziel, und Elon Musk, Chef des Elektroauto-Konzerns Tesla möchte den Mars bewohnbar machen. Vor allem in Europa macht die zweifelhafte niederländische Privatinitiative Mars One gewaltigen Wirbel um den unrealistischen Plan, Menschen mit einem One-Way-Ticket auf dem roten Planeten eine "neue Zivilisation" aufbauen zu lassen.

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