Serie "Welt im Fieber": Kenia:Die Güte trotzt dem Virus

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Eine Frau mit Mundschutz trägt in Kenias Hauptstadt Nairobi eine Schüssel mit Bananen an einer Gruppe lokaler Wasserverkäufer vorbei, die zum Auffüllen ihrer Kanister in einer Schlange stehen. (Foto: Donwilson Odhiambo/ZUMA Wire/dpa)

Mächtige Menschen kontrollieren in Kenia den Zugriff auf Beatmungsgeräte, Corona fordert Leben. Aber es gibt sie noch, die großzügigen Gesten, die den Schmerz lindern.

Gastbeitrag von Zukiswa Wanner

"Ich habe Sukumawiki-Kohl im Garten", schrieb Veronica in der Frauen-Whatsapp-Gruppe, in der ich seit Dienstag bin. "Du kannst vorbeikommen und etwas für die Frauen vor deinem Tor holen." So ging ich am Dienstag, dem Tag, an dem zum ersten Mal etwas über die Frauen vor dem Tor meiner Gated Community in dieser Zeitung stand, früh aus dem Haus, um zu Veronica zu gehen, die zu Fuß 15 Minuten entfernt wohnt. Als ich mit einem großen Beutel voller Gemüse zurückkam, stand nur eine einzige Frau am Tor. Ich gab ihn ihr und bat sie, mit den anderen Frauen zu teilen, wenn sie kämen.

Später wollte ich nachsehen, ob die Frau das Gemüse auch wirklich geteilt hatte. Ich gebe zu: Ich bin ein skeptischer Mensch. Die Sonne brannte heiß. Sie war als erste angekommen. Jetzt hatte sie ihr Kangatuch auf dem Boden ausgebreitet, da, wo ein bisschen Schatten war, und schlief. Etwas an dieser Frau erinnerte mich an meine verstorbene Großmutter. Wie sie dort lag und einen Frieden zu erleben schien, den sie wach vermutlich nicht kannte. Sie hatte den gleichen Teint und war ungefähr so alt wie meine Großmutter es war, als ich als Sechs- bis Zehnjährige bei ihr wohnte und in die Dorfschule ging.

Meine Großmutter legte auch oft ihre Kanga unter den Guavenbaum in ihrem Hof und schlief. An heißen Donnerstagen, wenn niemand im Dorf auf die Felder ging. Aber diese Frau war hier nicht zu Hause. Ich fragte mich, wie sie auf einem Gehweg voller vorbeilaufender Menschen so entspannt sein konnte. Vielleicht fühlte sie sich sicher, weil sie wusste, dass die anderen Frauen jetzt da waren und auf sie aufpassten. Ich wollte sie nicht stören. Aber ob sie das Gemüse geteilt hatte, das wollte ich doch wissen.

Bevor ich fragen konnte, fingen die Frauen, die mich sahen, an zu applaudieren. "Asante dada", sagten sie. Danke, Schwester. Es waren keine Tränen, die mir in die Augen stiegen. Ich bin sicher, dass es an den Zwiebeln lag, die ich vorher fürs Mittagessen geschnitten hatte. Ich musste sie schnell korrigieren, ihnen sagen, dass sie die Falsche lobten. "Mir braucht ihr nicht zu danken", sagte ich, "sondern Veronica. Das Gemüse kommt aus ihrem Garten." Ob eine von ihnen nächsten Dienstag mitkommen und ihr persönlich danken wolle? Jemand schlug die Doppelgängerin meiner Großmutter vor, die jetzt wieder wach war. Sie ist immer als erste da, sagten sie.

Die Großzügigkeit dieser Frauen machte mich demütig

Nachdem ich das geklärt hatte, ging ich zurück nach Hause und bat die Frauen in der Whatsapp-Gruppe, sich mit mir bei Veronica zu bedanken. Eine der Frauen, Njoki, schrieb mir: Ich habe ein paar Kohlköpfe, die ich morgen vorbeibringen kann. Wie viele Frauen sind es?

Ich ging noch mal zum Tor, um zu fragen, weil die Zahl der Frauen von Tag zu Tag schwankt. Fünfzehn, war die Antwort. "Ich bin nicht sicher, ob sie genug Kohl für fünfzehn Leute hat", sagte ich. "Das ist schon in Ordnung, dada. Sie kann bringen, was sie hat, und wir geben es denen von uns, die es am dringendsten brauchen." Die Großzügigkeit dieser Frauen machte mich demütig. Ich sehe so etwas nicht oft. Meine Augen wurden wieder feucht. Ich behaupte nicht, dass es an den Zwiebeln lag. Ich zwinkerte, weil wir uns ja nicht ins Gesicht fassen sollen.

Am Donnerstag brachte Njoki die Kohlköpfe. Sie konnte jeder Frau zwei mit geben. Ich hoffe, das reicht, um sie und ihre Familien zu versorgen. Zusammen mit dem, was sie hoffentlich sonst noch bekommen, bis wir Veronica nächste Woche wieder besuchen können. Es war nicht umsonst, dass ich in dieser Kolumne über die Frauen geschrieben habe. Eine SZ-Leserin hat mir geschrieben. Sie hat eine Zeitlang in Kenia gearbeitet und wusste nicht, wie schlimm die Lage hier ist. Sie will helfen.

Wenn ich jetzt nachdenke, an einem bewölkten Tag in dieser Stadt in Ostafrika, fallen mir ein paar Dinge auf. Während dieser Pandemie kommen sinnlos Menschen ums Leben. Auf diesem Kontinent gibt es mächtige Menschen, die Zugriff auf Beatmungsgeräte und Gesundheitsversorgung haben werden, an die sonst niemand herankommt. Trotzdem gibt es noch menschliche Güte. Danke, Veronica. Danke, Njoki. Und, wenn du das heute liest: Danke, Brigitte. Eure Güte bewirkt, dass ich mir selbst mehr Mühe gebe, gütig zu sein.

Die Südafrikanerin Zukiswa Wanner wurde 1976 in Sambia geboren und lebt heute in Kenia. Sie ist Schriftstellerin und hat im Lockdown ein Online-Literaturfestival mitbegründet. Aus dem Englischen von Kathleen Hildebrand.

© SZ vom 12.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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