Rein kommerziell steht die Siegerin hierzulande fest, zumindest nach derzeitigem Ermessen. Mehr Alben verkaufen als Kylie Minogue kann Helene Fischer selbstverständlich, sie ist der Deutschen liebster Rauschgoldengel des Popschlagers. Das macht die Rollenverteilung im künstlerischen Duell umso klarer: Es treten an ...
Die Herausforderin: Kylie Minogue mit "Kylie Christmas"
Kylie Minogues erstes Weihnachtsalbum ist schon deshalb ziemlich gelungen, weil es den Kardinalfehler von Weihnachtsalben berühmter Sängerinnen und Sänger vermeidet: Heißgeliebten Klassikern einen allzu deutlichen "eigenen Klang" zu geben. Denn wenn man eines an Weihnachten nicht will, dann ist das der Bruch mit Traditionen zugunsten von weihnachtsfernen Arrangements. Kylie Minogue macht deshalb aus "Let It Snow" und "Stille Nacht" keine Dancepop-Nummern, sondern beschränkt Innovationen auf ein paar Gaststars: ein posthumes Duett mit Frank Sinatra, eins mit Iggy Pop und eins mit dem englischen Comedian James Corden.
Musikalisch hält sie sich weitgehend an den Klang derjenigen Dekade, die wie sonst keine Gemütlichkeit und heile Welt verspricht: die Fünfziger. Sie klingt dabei, wie sie auf dem Cover aussieht: Wie ein klassisches Pinup-Girl haucht, juchzt und singt sie immer so nah an der Stöhngrenze entlang, dass es auch damals gerade noch jugendfrei gewesen wäre.
Der beste Zeitpunkt, um auf Play zu drücken: Wenn man vor dem Heiligen Abend mit seinen familiären Herausforderungen und gewaltigen Essensmengen in Gang kommen will. Die Jazztrompeten schmettern fröhlich-blechern, die Streicher swingen und dazu singt Kylie Minogue ziemlich görig und immer ein bisschen ironisch. Alles eher bäm als pssst, also genau das Richtige, um sich nachmittags vom Sofa zu lösen, den rot-grün-goldenen Pailletten-Blazer anzuziehen und den Bart in Goldglitter zu tunken.
Wo haben die Gestalter des CD-Covers eingekauft? Bei einer amerikanischen Unterwäschelinie, die ihre Models gern als Engel verkleidet.
Kylie Minogue: "Christmas"
(Foto: Parlophone Label Group/Warner Music)Wenn diese Platte ein Plätzchen wäre, dann wäre sie: Kein Plätzchen, das ist viel zu bescheiden-deutsch gedacht. Kylie Minogues Weihnachten ist ein gewaltiger Weihnachtsumzug auf der Fifth Avenue. Wiedergeboren als Gebäck wäre das Album eine Lebkuchen-Villa, deren Wände dick mit Zuckerguss überzogen sind. Davor tanzen Spekulatius-Männchen durch ein Spalier aus rot-weißen Zuckerstangen, aus dem Schornstein steigt ein Rauchfähnchen aus rosa Baiser.
Maximale Anzahl von Wiederholungen, bis man doch wieder zu James Last wechselt: Dreimal geht das sehr gut. Dann zeigen sich erste Symptome akuter Überzuckerung.
Besinnlichster Moment: Ganz am Ende, nach "Have Yourself a Merry Little Christmas", sagt Kylie ins Mikrofon: "Merry Christmas". Mit weniger Hauchen und einem Tick weniger Sexiness in der Stimme als auf dem Rest des Albums. Es klingt ganz ernst gemeint. Fast so, als würde sie wirklich uns meinen.
(Kathleen Hildebrand)