Süddeutsche Zeitung

Weggefährten trauern um Dieter Hildebrandt:"Jetzt ist der Jüngste weg"

Witziger Kommentator, Gentleman und "Preuße, der so gar nichts Preußisches an sich hatte": Für seine Weggefährten ist der Tod Dieter Hildebrandts ein schwerer Verlust. Doch auch diejenigen verneigen sich vor ihm, die ihn als ihren "herausragenden Gegner" betrachten. Gedanken über ein Vorbild - aus dem Mund von Kollegen, Politikern und Künstlern.

Witziger Kommentator, Gentleman und "Preuße, der so gar nichts Preußisches an sich hatte": Für seine Weggefährten ist der Tod Dieter Hildebrandts ein schwerer Verlust. Doch auch diejenigen verneigen sich vor ihm, die ihn als ihren "herausragenden Gegner" betrachten. Gedanken über ein Vorbild - aus dem Mund von Kollegen, Politikern und Künstlern. Weltdeuter Dem Verstorbenen bin ich immer wieder begegnet. Ich war glücklich, dass wir so jemanden haben. Die Art, wie er sprach, die Themen, die er sich aussuchte - das alles hat uns geholfen, die Welt besser zu verstehen. Dafür bin ich ihm dankbar. Ohne Kabarettisten, ohne Kabarettisten wie ihn, kann aus der Politik nichts werden. Richard von Weizsäcker, Bundespräsident a.D.

Der Jüngste Lieber Dieter, Dein Tod ist eine erstaunliche Sache, denn von uns allen warst Du immer der Jüngste. Und der Neugierigste. Und derjenige, der sich selber am wenigsten wichtig nahm. Komplizierteste Sachverhalte konntest Du so lange durchdenken, bis ein verblüffend einfacher Satz rauskam, der es auf den Punkt brachte. In all dem und in manch anderem wirst Du mir mein Leben lang Vorbild sein. Hab Dank für alles. Wir vermissen Dich. Jetzt ist der Jüngste weg. Und wir anderen stehen da und sehen ziemlich alt aus. Josef Hader, Kabarettist

Unnachahmlich Auch wenn wir politisch eher selten auf einer Wellenlänge waren und ihn die Namen Strauß und Stoiber immer bewegt haben: Dieter Hildebrandt war der Doyen des politischen Kabaretts im Nachkriegsdeutschland. Seine sprachliche Brillanz, sein scharfer Witz waren unnachahmlich. Mit seinen besonderen Mitteln hat er die politische Kultur jahrzehntelang mitgeprägt. Edmund Stoiber, von 1999 bis 2007 CSU-Vorsitzender und von 1993 bis 2007 bayerischer Ministerpräsident.

Der Aufrechte Kennengelernt hab ich den Dieter Hildebrandt vor circa 33 Jahren. Wir trafen uns in der "Kaulbachklause" unweit der Münchner Uni, um das Programm für einen gemeinsamen Auftritt im Hofbräusaal zu besprechen. Ich war schon früher da und fühlte mich da nicht besonders wohl. Als der Dieter hereinkam, sprach er den Grund meines Unwohlseins für mein Sicherheitsgefühl auch gleich etwas laut an: "Wo sind wir denn hier hingeraten? Da wimmelt's ja von Verbindungsstudenten!" Schon kurz darauf baute sich einer davon mit Schmiss und Schlüsselbund vor uns auf: "Ham Sie was gegen Verbindungsstudenten, Herr Hildebrandt?" Dieter: "Na und ob ich was dagegen hab!" Darauf der Gezeichnete: "Und warum?" Dieter: "Weil Sie zum Beispiel keine Juden aufnehmen." Drauf der Student: "Weil die bloß immer Geschäfte machen wollen, Geschäfte, Geschäfte", blaffte er. "Setzen Sie sich auf Ihren Platz und halten Sie den Mund!", herrschte ihn der Dieter daraufhin an, "mit jemandem, der so was sagt, rede ich nicht mehr." Verblüfft setzte sich der Kerl zu seinen Gesinnungsgenossen. So hab ich den Dieter oft erlebt, als einen Menschen mit Charakter und Haltung, der steht, auch wenn sich die Gaudi aufhört. Als uns Biermösln der Bayerische Rundfunk vor 33 Jahren gar nicht mehr mochte, da hat er uns Asyl im Scheibenwischer gewährt. Ich lernte ihn nach der Trennung der Biermösl Blosn in schwierigen Zeiten als solidarischen Freund kennen, der sich sofort dazu bereit erklärte, mir mit gemeinsamen Auftritten den Neustart zu erleichtern. Diese Auftritte mit ihm und den "Wellbappn", die ja seine Urenkel hätten sein können, waren unvergesslich. Vor allem deshalb, weil der bald 86-Jährige innerhalb von zwei Monaten zwischen zwei Veranstaltungen die Hälfte des Programms neu auf die Bühne brachte. Und zwar so, dass es einem schwerfiel, nicht vor lauter Lachen von der Bühne zu fallen. Der Dieter wollte, wie er mir vor circa 14 Tagen am Telefon erzählte, in der Lach und Schieß noch ein Abschlussprogramm spielen. Dass er das nicht mehr kann, ist für uns, sein Publikum, sehr traurig. Mit ihm verlieren wir einen auch im hohen Alter noch geradezu jugendlich frischen Ausnahmekabarettisten, der Generationen von Kabarettisten geprägt und gefördert hat. Einen klugen, witzigen, scharfzüngigen Kommentatoren politischer und gesellschaftlicher Zustände. Menschen wie der Dieter sind rar; er starb viel zu jung. Hans Well, Kabarettist

Das Gewissen Ich bin unglaublich traurig und geschockt, dass es jetzt so schnell gegangen ist. Dieter Hildebrandt war ein großes Vorbild im Eintreten für Gerechtigkeit, in seinem großen Engagement und in seiner Leidenschaft für seinen Beruf. Er war ein Mahner, der uns Kabarettisten stets daran erinnerte, dass wir genau dafür eintreten müssen - ein Mentor und Vorbild, auch wenn wir wohl nie so gut sein werden wie er. Dieter Hildebrandt war das Gewissen Deutschlands. Ein Künstler und Mensch, der seine eigene Meinung stets vertreten, der der Wahrheit immer auf den Zahn gefühlt und sich nie gescheut hat, sie den Leuten auch ins Gesicht zu sagen. Er wird fehlen. Luise Kinseher, Kabarettistin

Ein Star Ich erinnere mich an so unendlich viel - von unserem Kennenlernen 1973 bis zum letzten gemeinsamen Auftritt in Leipzig. Vor einem Monat kam noch ein Brief von ihm, danach hat meine Frau mit ihm telefoniert und erfahren, dass seine Operation nicht ganz harmlos war. Das war unser letzter Kontakt. Dieter Hildebrandt hat meine Biografie unglaublich beeinflusst. Ich durfte als Newcomer die Bühne zusammen mit einem Star betreten, das war eine entscheidende Wendung in meinem Leben. Wenn man sich zehn Jahre lang die Garderobe geteilt und gemeinsam auf der Bühne gestanden hat, dann entsteht eine große Nähe. Werner Schneyder (rechts), Kabarettist mit seinem Weggefährten Dieter Hildebrandts im Jahr 1993

Zurückhaltend Dieter Hildebrandt war ein Solitär in der Geschichte der Bundesrepublik. Ich lernte ihn in den Sechzigern in Hannover kennen. Ich war dort Oberspielleiter, und immer wenn eine große Messe in der Stadt war, kamen die Kabarettisten in die Stadt, die Lach- und Schießgesellschaft oder die Stachelschweine. Bald haben wir dann in Hannover zusammen Fußball gespielt, in einer Prominentenmannschaft, immer vor den Oberligaspielen - da waren auch Fritz Walter und Toni Turek dabei. Als ich Intendant der Kammerspiele wurde, holte ich ihn ans Theater: Dieter Hildebrandt spielte jene "Scheibenwischer"-Sendung nach, die damals der Bayerische Rundfunk abgeschaltet hatte. Das war zwar nur vor 650 Zuschauern, aber ein großes, politisches Zeichen war es dennoch. Ich mochte seine Kunst, und er mochte meine - was kann man sich Schöneres wünschen? Er ist mir ganz ungeheuer nah gewesen, dieser wunderbare, zurückhaltende Mensch. Er hat sich über die gleichen Dinge geärgert wie ich - und das waren viele. Und über die gleichen Menschen - das waren auch viele. Dieter Dorn, ehemaliger Intendant der Münchner Kammerspiele und des Bayerischen Staatsschauspiels

Unvergänglich Es gibt nichts Peinlicheres als diese Nachrufe, die man jetzt dauernd liest und hört. Dieter hat NACH-RUFE nicht nötig, er hat einen RUF, der nicht vergeht. Da er noch nicht einmal im Grab ist, besteht die Gefahr, dass er sich mehrmals umdreht, wenn er diesen dümmlichen Schmus noch länger aushalten muss. Ich habe ihn verehrt und geliebt. Mit ihm ist eine ganze Epoche gestorben. Helmut Dietl (rechts), Filmemacher mit seinem Darsteller Dieter Hildebrandt im Januar 2012 in München. In seiner Fernsehserie "Kir Royal" (1986) und im Film "Zettl" (2012) spielte Dieter Hildebrandt den Fotografen Herbie.

Wie eine Eins Dieter Hildebrandt war ein Vorbild in jeder Beziehung, eine moralische Instanz: unbestechlich und mutig wie kaum ein anderer, sein ganzes langes Leben lang. Mit ihm ist ein liebenswerter Freund gestorben, es gibt in unserer Branche der Egomanen wohl keinen, der so viele Freunde hatte wie Dieter. Jeder mochte ihn. Als ich eine schwierige Phase hatte, stand er zu mir wie eine Eins. Zuletzt auf der Bühne erlebte ich ihn im Juni im Circus Krone: Er war geistreich, witzig, atemberaubend, und immer jung. Ich bewunderte ihn und bewundere ihn immer noch. Konstantin Wecker, Musiker

Hammer Dieter Hildebrandt brachte seine Wahrheiten auch mit dem Hammer unter die Leute. Sie kamen oft so unverhofft, nebenbei und zwischen den Sätzen zur Sprache - also nicht ohne Nachdenklichkeit und oft erst mit Spätzündung begreifbar. Er lächelte streitbar und gefährlich für die Mächtigen und die sich dafür hielten. Dieter Hildebrandt hatte nicht nur Witz, sondern Überzeugungen. Norbert Blüm, ehemaliger Bundesarbeitsminister

Fetzengaudi Als wir mit dem Dieter das erste Mal zusammen engagiert wurden, waren wir ganz ehrfürchtig und aufgeregt. Er war ja für uns der liebe Gott des politischen Kabaretts. Als er uns erzählte, er wohne in einem Vorort von München, waren wir ganz erstaunt. Da war ein Preuße, genauer gesagt ein Schlesier, der so gar nix Preußisches an sich hatte, im Gegenteil: Sein Humor und seine Art waren viel bayerischer als bei so manchen Berufsbayern. Und Schafkopfen konnte er auch noch wie ein Gott! Aber das Schönste: Er war ein unglaublich lebendiger, ehrlicher und warmherziger Mensch, und den zum Freund zu haben, hat unser Leben sehr viel reicher gemacht. Mein Gott, war das immer eine Fetzengaudi und Riesenehre mit dem Dieter aufzutreten, Brotzeit machen, ratschen, frotzeln, von O. M. Graf zu schwärmen, schafkopfen, Fußball oder Tennis zu spielen! Aber in der Ewigkeit geht's ja wieder weiter. Stofferl, Michael, Moni, Burgi, Karli und Bärbie Well, Musiker und Kabarettisten

Kämpfer Dieter Hildebrandt war in der Front der Kabarettisten über Jahrzehnte ein herausragender Kopf, und er war ein herausragender Gegner der CSU. Mit ätzender Einäugigkeit führte er seinen politischen Kampf gegen uns. Er traf ins Schwarze, er traf aber auch daneben. Ausgewogenheit war seine Sache nicht, er hatte seine Gegner und er pflegte sie. Weil er ohne Abweichung seinen politischen Kurs hielt, war vieles, was als Überraschung gedacht war, keine Überraschung mehr. Dennoch: Witz und Formulierungskraft hoben ihn über jeden Durchschnitt seiner Branche. Irgendwo, nämlich beim Tod, müsse jede Feindschaft enden, formulierte einst der vor wenigen Tagen gestorbene Manfred Rommel. Deshalb: Respekt vor Dieter Hildebrandt Wilfried Scharnagl, langjähriger Chefredakteur der CSU-Parteizeitung Bayernkurier" und Vertrauter von Franz Josef Strauß

Spaßbremse Wenn's um das richtige politische Bewusstsein ging, hat er keinen Spaß verstanden. Ein Frontal-Kabarettist, wie es keinen zweiten gab, jahrzehntelang. In der flockigen Schar der Comedians und Entertainer war er der Aufklärer. Er wird uns fehlen, hoffentlich. Hans Traxler, Maler und Cartoonist

Weggefährten trauern um Dieter Hildebrandt

Heribert Prantl

Rote Nelken Er war der einzige Mensch, der, wenn er eingeladen war, rote Nelken mitbrachte. Es waren seine Blumen. Warum Nelken? "Es ist bald 1. Mai!" Der Tag der Arbeiterbewegung war ein wichtiger Tag für ihn. Nein, weniger das Datum als der Wert, für den dieser Tag steht: Solidarität. Die meisten linken Parteien tragen die Nelken nur noch im Logo, er trug sie im Arm; einen sehr großen Strauß. Er war ein großzügiger Mensch, ein hilfsbereiter und kameradschaftlicher Künstlermensch, nicht eingebildet, nicht aufgeblasen. An ihm war nichts gekünstelt und künstlich; er war auf der Bühne so wie am Tisch unter Freunden: Ein begnadeter Improvisator, ein gnadenlos-zielsicherer Kommentator der Zeitläufte. Seine Kunst schraubte den Leuten das Brett vor dem Kopf weg, ohne dass sie es merkten; das ist subversiv. Dieter Hildebrandts Größe war die subversive Bescheidenheit, mit der er seine Sätze stammelte und haspelte, bis sie sich zusammenzogen wie ein gut geworfenes Lasso. Und wenn ihm, so nebenbei, am Tisch beim Essen, wieder eine Pointe gelang - dann folgte lausbübisch die Bemerkung: "Die lag so rum". Es schmerzt, ihn zu verlieren. Es war ein großes Glück, ihn gekannt zu haben. Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung

Last-Minute-Man Er war ein Last-Minute-Man. Am Nachmittag oder noch besser kurz vor Vorstellungsbeginn sich noch etwas ausdenken, etwas Aktuelles kommentieren und raus damit, auf die Bühne, gleich abends dem Publikum sagen, was gesagt werden musste. Und danach schelmisch durch die Brille luren und warten, was das Publikum versteht. Sich eine Pointe darauf machen. Das war seins. Zuspitzen und dann dazu eine Pointe fallen lassen. So tun, als geschehe es aus Versehen. Pointen to go könnte man dieses Geschehen nennen. Wenn irgendwo eine Pointe rumlag, dann hat sie Dieter aufgehoben. So kenne ich ihn, und so habe ich ihm immer gern zugeschaut, und so werde ich ihn in Erinnerung behalten. Bruno Jonas, Kabarettist, von 2000 bis 2003 Dieter Hildebrandts ständiger Partner in der ARD-Kabarettsendung "Scheibenwischer"

Gentleman Dieter Hildebrandt war empathisch, feinsinnig, zuvorkommend, ausgesprochen höflich, ein Gentleman, ein engagierter Kämpfer mit klarer Haltung gegen politischen Filz, Sumpf und Verdummung. Ein Förderer junger Kollegen, ein interessierter Zuhörer, der sich auch tatkräftig für diverse Benefizprojekte und Bürgerinitiativen einsetzte. Angriffslustig, herzlich, versöhnlich, ein leidenschaftlicher Fußballfachmann, langjähriger Kicker des FC Schmiere, leider 1860-München-Anhänger. Da kam es wiederholt zu ernsthaften Diskussionen zwischen uns. Und er begeisterte nachhaltig: auf der Bühne, in seinen Büchern, in seinen Sendungen und vor allem als sehr lieber Mensch mit Herzensgröße. Wir führen die Lach- und Schießgesellschaft in seinem Sinn weiter. Er war einzigartig. Till Hofmann, Geschäftsführer der Münchner Lach- und Schießgesellschaft

Rufer in der Wüste Wir Kabarettisten haben einen Freund und Bruder im Geiste verloren. Aber auch die Gesellschaft hat einen Gerechten zu beweinen, das Symbol Hildebrandt, den Rufer in der Wüste, der den Finger in die Wunden gelegt und den Boden für eine öffentlich-rechtliche Satire bereitet hat, wodurch Ironie-Erkenner und Satire-Versteher auf ihre Kosten kamen. Aufgrund seines Beispiels sind viele Kabarettisten solche erst geworden. Als ich daheim im Bayerischen Wald anfangs immer erklären musste, was für eine Art Theater ich denn da in München mache, war es hilfreich, zu sagen: das, was der Hildebrandt macht. Dann wusste jeder Bescheid. Die Münchner Lach- und Schießgesellschaft war zu seiner Zeit eine solche Institution, dass die Großkopferten, die durch den Kakao gezogen wurden, sogar selber gerne im Publikum saßen. Fraglich allerdings, ob sie alles verstanden haben, hatte Hildebrandt doch von Werner Finck die Kunst des vielsagenden Wort- und Silbenverschluckens übernommen. Mit der Lach- und Schießgesellschaft wurde Hildebrand zeit seines Lebens identifiziert. Auch in Zukunft werden viele Leute spätestens in der Pause fragen: Wann kommt denn jetzt endlich der Hildebrandt? Ottfried Fischer, Kabarettist

Ein Mutmacher Dieter Hildebrandt hat mit der "Münchner Lach und Schieß" das politische Kabarett in München heimisch gemacht und mit den "Notizen aus der Provinz" genauso wie später mit dem "Scheibenwischer" eine unvergleichliche Präsenz auf dem Bildschirm erlangt. Nicht als Entertainer, sondern als unerbittlicher Aufklärer, als kritische Instanz und moralische Institution, als kämpferischer Humanist, der die Welt besser und die Gesellschaft menschlicher machen wollte, der nie dem Mainstream nachgelaufen ist, sondern sich oft mit Mächtigen angelegt und stets Farbe bekannt hat. Noch immer ist mir unvergesslich, wie ich als Schüler an Silvesterabenden am Radio saß, um seine Abrechnung mit Fehlentwicklungen im ablaufenden Jahr zu hören - das war nicht nur witzig, lustig, schlagfertig, voller Spontanität und Improvisationstalent, nein, das war unendlich viel mehr, das machte Mut zur Kritik, stiftete an zur Aufsässigkeit, lud ein zur politischen Einmischung, weil es nach einer solchen Lektion einfach undenkbar war, als Untertan oder "Ohnemichel" alle Missstände, die er angeprangert hatte, einfach hinzunehmen. Dieter Hildebrandt war nicht nur der Größte seines Fachs, sondern ein Glücksfall für die deutsche Demokratie, der es ohne ihn an Oppositionsgeist, Kritikvermögen und Bereitschaft zum Engagement gemangelt hätte. Seinen jugendlichen Wechsel vom Laienspielseminar zum Kabarett hat er damit begründet, dass er für Liebhaberrollen nicht schön genug und fürs Charakterfach nicht gut genug gewesen sei. Trotzdem wird er uns in etlichen Rollen, vor allem als schmieriger Fotograf Herbie in Helmut Dietls "Kir Royal", stets gegenwärtig bleiben. 1997 durfte ich ihm als bedeutenden "Freund Münchens" die Medaille "München leuchtet" überreichen, nachdem er dies zuvor unter Hinweis auf fehlendes Alter zurückgewiesen hatte. 2011 bekam er den Kulturellen Ehrenpreis, die höchste kulturelle Auszeichnung der Stadt. Persönlich habe ich Dieter Hildebrandt für eine Freundschaft zu danken, in der er kein kritisches Wort unterdrückte, aber stets und auch noch mit 86 Jahren zu aktiver Unterstützung bereit war. Christian Ude, Oberbürgermeister von München

Leichtfuß Dieter Hildebrandt war deshalb so groß, weil seine Kritik immer ganz leicht daherkam und man ihm deshalb seine intellektuelle Überlegenheit nie übel genommen hat. Er war gleichzeitig kritisch und lustig, das hat ihn in Deutschland so selten gemacht. Thomas Hermanns, TV-Comedian

Ich war mit Dieter Hildebrandt schon geistig verbunden, als ich ihn noch gar nicht kannte. In Dresden, dem "Tal der Ahnungslosen" hingen wir an den Radios und haben ihn durch das Rauschen der Störsender gehört und uns geheimnisvoll Kassetten mit Hildebrandt-Aufnahmen zugesteckt. 1987 ist es ihm und Gerhard Polt dann gelungen, ein Loch in die Mauer zu bohren: Ich durfte durch ihre Initiative mit meinem Kabarett-Trio nach München ans Residenztheater kommen, ein einschneidendes Erlebnis. Am nächsten Tag stand ich in den Alpen mit den Leuten, deren Stimmen ich vorher nur durch das rauschende Radio gekannt hatte. Mit Dieter Hildebrandt war da von Anfang an ein sich Verstehen, unsere freundschaftliche Verbindung ist immer erhalten geblieben. Jedes Jahr hat er in meinem Kabarett, der "Herkuleskeule" gelesen. Er wurde mit jedem Jahr, das er älter wurde, besser. Vor zwei Jahren war er hier in Dresden. Nach einem Ausflug, seinem Auftritt und langen Gesprächen sagte ich, der dreizehn Jahre Jüngere, gegen ein Uhr in der Nacht: "Dieter, ich kann nicht mehr!" Er konnte noch. Er hatte eine unglaubliche Kraft. Wolfgang Schaller, Künstlerischer Leiter des Dresdner Kabarett-Theaters "Herkuleskeule"

Dieter Hildebrandt (23.5.1927 - 20.11.2013) im November 2012 zu Besuch bei der Süddeutschen Zeitung. Danach trat er in der Lach und Schießgesellschaft auf.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2013
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