Literatur-Kolumne:Was lesen Sie?

Literatur-Kolumne: Literatur ist immer genau da, wo es Worte gibt. Auch auf Twitter, findet die Historikerin Hedwig Richter.

Literatur ist immer genau da, wo es Worte gibt. Auch auf Twitter, findet die Historikerin Hedwig Richter.

(Foto: Jürgen Heinrich/imago/SZ)

In unserer Interviewkolumne fragen wir bekannte Persönlichkeiten nach ihrer aktuellen Lektüre. In dieser Folge: Hedwig Richter.

Von Miryam Schellbach

Hedwig Richter zählt zu den bekanntesten Historikerinnen des Landes. Sie ist Professorin an der Universität der Bundeswehr in München, schreibt Bücher über die Geschichte der Demokratie in Deutschland und über das Kaiserreich. Auf Twitter postet sie beinahe jeden Tag einen Vers ihres Lieblingsdichters Friedrich Hölderlin.

SZ: Was lesen Sie gerade?

In diesen Tagen: "Nach der Ewigkeit" von Maxim Ossipow. Der Blick eines Russen auf die Welt, ein eigenartiger, sehr trauriger Blick auf Russland. Und dazu noch Claudia Schumachers Debütroman "Liebe ist gewaltig". Dieses Buch tut richtig weh, und ich kann es nur empfehlen.

Müssen Bücher immer aus Papier gemacht sein?

Äh, nein. Leinen und Goldschnitt sind auch okay​. Aber digital ist die Zukunft.

Was haben Sie zuletzt aus welchem Buch gelernt, das Sie vorher nicht wussten?

Von dem Historiker Dipesh Chakrabarty habe ich einiges gelernt. In "Das Klima der Geschichte im planetarischen Zeitalter" beschreibt er, dass die demokratischen Freiheiten fast alle auf exzessivem Energieverbrauch beruhen. Wenn wir über die Zukunft der Demokratie nachdenken, müssen wir überlegen, wie Freiheit ohne fossile Zerstörung zu bewahren ist - und wie wir das in globaler Solidarität hinbekommen.

Erste Sätze werden doch auch überschätzt, oder?

Haha. Nein. "Damals, in diesem Sommer vor fast dreißig Jahren, wohnte ich im Westen und weit weg vom Wasser." Schreibt Judith Hermann in "Daheim". Und: "Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirg", schreibt Georg Büchner in "Lenz". Ist das nicht ganz groß?

Welches Buch erklärt für Sie am besten die ganze Welt?

Goethes "Faust". Die exzessive Gewalt darin, das Fest der Liebe, der Aufbruch der Moderne und ihre Zerstörungen, die Schönheit des Neubeginns und die Sorge, die durchs Schlüsselloch dringt, Vergebung und Verhöhnung: Es ist alles drin.

Wie viel Literatur steckt in Twitter?

Ist Literatur nicht immer genau da, wo es Worte gibt?

Wie Hölderlin kommen Sie aus dem Schwäbischen. Welche Gemeinsamkeiten haben Sie noch mit Ihrem Lieblingsdichter?

Leider keine weiteren. Ich würde gerne so dramatisch und hell wie er mit Worten umgehen können. Und ich hätte gerne ein Turmzimmer am Neckar.

Weitere Folgen der Interview-Kolumne lesen Sie hier.

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