Literatur-Kolumne:Was lesen Sie?

Literatur-Kolumne: Nach guten Büchern schaut man die Welt an, als sähe man sie zum ersten Mal. Der Schrifsteller Daniel Kehlmann findet, das ist wie Zauberei.

Nach guten Büchern schaut man die Welt an, als sähe man sie zum ersten Mal. Der Schrifsteller Daniel Kehlmann findet, das ist wie Zauberei.

(Foto: dpa-Bildfunk)

In unserer Interviewkolumne fragen wir Schriftsteller und Schriftstellerinnen nach ihrer aktuellen Lektüre. In dieser Folge: Daniel Kehlmann.

Von Miryam Schellbach

Der Schriftsteller und Essayist Daniel Kehlmann wurde 1975 in München geboren, heute lebt er in Deutschland und in Amerika. Sein Roman "Die Vermessung der Welt" von 2005 zählt zu den bekanntesten Büchern der Nachkriegsliteratur, zuletzt erschien von ihm der Schelmenroman "Tyll" (2017) über die Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

SZ: Was lesen Sie gerade?

Daniel Kehlmann: George Saunders' "A Swim in a Pond in the Rain". Und zwar schon zum zweiten Mal. Es ist wirklich und ohne Übertreibung das beste Buch über das Schreiben, das ich jemals gelesen habe.

Und welches Buch hat Sie am meisten geprägt?

"Fahles Feuer" von Vladimir Nabokov. Und natürlich "Krieg und Frieden" von Leo Tolstoi. Es gibt einfach keinen besseren Roman, hat nie einen besseren gegeben, wird wohl auch keinen besseren geben, da hilft nichts.

Welches Buch hassen Sie, schätzen aber den Autor?

"Ada oder Das Verlangen". Nabokov ist enorm wichtig für mich, aber dieser Roman ist einfach nicht auszuhalten.

Wie viele Romane braucht die Menschheit noch?

Jede Zeit braucht neue Romane, also hoffentlich noch unendlich viele.

Haben Sie schon mal ein Buch geklaut, wenn ja, welches?

Der Kollege Gion Mathias Cavelty hat mir vor vielen Jahren Lawrence Sutins "Göttliche Überfälle" geliehen, eine Biografie von Philip K. Dick. Ich habe sie nie zurückgegeben. Irgendwie hat es sich nie ergeben, und jedes Mal auf dem Weg nach Zürich hab ich es wieder vergessen. Ich hoffe, Gion liest die Süddeutsche Zeitung nicht allzu genau.

Ein Buch, das Ihnen wichtig ist, von dem die meisten anderen aber noch nie gehört haben?

"Tony & Susan" von Austin Wright. Ein genialer Roman, der einen so unsagbar langweiligen und schlechten Titel hat, dass es praktisch unmöglich ist, irgend jemanden davon zu überzeugen, das Ding zu lesen. Nur Tom Ford hat es gelesen und sofort einen guten Film daraus gemacht - aber immer noch kein Vergleich zu dem wirklich genialen Roman.

Mit welchem Buch geben Sie ständig an, ohne es je gelesen zu haben?

"Don Quixote".

Gibt es ein Buch, das Sie einmal sehr geliebt haben, das Sie aber heute schrecklich finden?

Absolut alles von Hermann Hesse.

Es heißt, Sie beschäftigen sich mit der Zauberkunst. Was haben Zaubern und Schreiben miteinander zu tun?

Sehr viel. Man müsste ein ganzes Buch darüber schreiben, vielleicht mache ich das auch noch. Wirklich gute Zauberkunst ist nämlich eine echte Kunst, die Malerei, Literatur oder Musik in nichts nachsteht. Ein großartiger Zauberer - davon gibt es nicht viele - kann einem zeigen, dass die Welt so, wie sie ist, nicht alles ist - alles könnte anders sein und jeder Eindruck trügerisch. Man fängt an, alles neu zu durchdenken und alles anzusehen wie zum ersten Mal. Das bewirkt Zauberei, und das bewirken auch gute Bücher.

Ihr Roman "Die Vermessung der Welt" (2005) stand eine Ewigkeit auf der Bestsellerliste, in der New York Times war zu lesen, er sei unter den weltweit erfolgreichsten Büchern auf Platz zwei. Wollten Sie danach nie wieder ein Wort schreiben?

Abwechselnd. Manchmal nie wieder ein Wort, manchmal unbedingt noch ganz viel. Und eigentlich ist es immer noch so - jeden Tag geht das mehrmals hin und her.

Weitere Folgen der Interview-Kolumne lesen Sie hier.

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