Filmregisseur Walter Hill wird achtzig:Action ist Charakter

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Walter Hill 1986 bei den Dreharbeiten zu "Crossroads". (Foto: ©Columbia Pictures/Courtesy Everett Collection/imago images)

Von den "Warriors" bis "Nur 48 Stunden": Regisseur Walter Hill hat den modernen Actionfilm mitgeprägt. Ein Gruß zum achtzigsten Geburtstag.

Von Fritz Göttler

Die Blicke sind gefährlich, aggressiv, sie sind Taktik, die Überschreitung, das trespassing. Manchmal ist schon ein einziger Blick zu viel. Wenn Bruce Willis mit seinem Klapperkasten einfährt ins Kaff Jericho, irgendwo an der Grenze zu Mexiko, in Walter Hills "Last Man Standing", 1996, kreuzt eine kleine Gruppe Menschen vor ihm die Straße, er stoppt und guckt, eine junge Frau ist darunter. Gleich darauf kommt einer der Männer zurück und demoliert ihm den Wagen: Du hast das Mädchen unseres Bosses angeschaut ...

Es ist Prohibitionszeit, zwei Banden kämpfen erbittert um die Stadt, und ihre Kämpfe sind deshalb so erbittert, weil sie alle von den großen Gangsterkriegen träumen in Chicago. Bruce Willis bleibt und dient sich abwechselnd den einen wie den anderen an. Er hält sich aufrecht durch eine Erzählung im Off, mit den klassischen Sentenzen der Noir-Krimis. Seine Geschichte hat eine lange Tradition, sie entstammt dem japanischen Film "Yojimbo", von Akira Kurosawa, den schon Sergio Leone als Vorlage benutzt hatte. Das ist ein weiter Weg vom "Driver", dem coolen stillen Helden in Hills zweitem Film, Ryan O'Neal, den viele Kritiker in der Tradition von Jean-Pierre Melville und Robert Bresson sahen.

Walter Hill ist der letzte Action-Meister von Hollywood, der die Beziehungen erforschte zwischen Charakter und Action. Er war als Regieassistent bei Woody Allens "Take the Money And Run" und bei "Thomas Crown" und "Bullitt" dabei, für Steve McQueen schrieb er dann das Drehbuch zu "The Getaway". "Last Man Standing" ist ein später Walter-Hill-Film, der Held ist ohne Prinzipien, das führt das Actionkino ins Absurde, an die Grenze zum Zynischen.

Das Genre hat sich in den Jahren, da Hill als Regisseur arbeitete, Ende der Siebziger und Anfang Achtziger, verändert, ist subversiver geworden, durch den Vietnamkrieg und die Traumata, die er in Amerika produzierte. Walter Hill hat das stets thematisiert, anders als der verspielte John Carpenter, der zur selben Zeit das Genrekino neu belebte, mit großem Erfolg. Hill hat, was dem Genre nie geschadet hat, immer Gegensätze auf die Spitze getrieben. In "The Assignment" hat er ins Wespennest des Genderns gestochen, als ein Auftragskiller durch eine Operation in eine Frau verwandelt wurde.

Seine Figuren müssen sich behaupten - auf fremdem Terrain

Walter Hill hat Amerika nie verlassen für seine Geschichten - mit Ausnahme des verkorksten "Supernova", an dem auch Coppola rumgebastelt hat - , aber er hat seine Helden in verschiedene Regionen des Landes geschickt, auf ungewohnte Missionen, auf fremdes Terrain. Und oft tun sie selbst am meisten dafür, dass es ihnen fremd bleibt. Die Gangs von New York, die sich durch die ganze Stadt kämpfen müssen in "The Warriors", die Männer der Nationalgarde in den Cajun-Sümpfen von Louisiana in "Southern Comfort", die jungen Veteranen im Grenzland zu Mexiko in "Extreme Prejudice".

Besonders fremd in ihrer Umgebung bleibt die Raumschiff-Crew in "Alien", zu dem Hill mit David Giler das Drehbuch schrieb, und den er anfangs inszenieren sollte - Ridley Scott übernahm schließlich die Regie. Der Haufen glückloser nörgelnder Techniker auf dem dreckigen Raumfrachter Nostromo, die kapitalistischer Firmenpolitik zum Opfer fallen. Hill war producer bei dem Film, fürs Drehbuch hat er am Ende keinen Credit gekriegt. Ich ducke mich gewöhnlich weg, hat er erklärt, wenn es um "Alien" geht.

Walter Hill liebt die Prolls, die Underdogs, die nur noch von ihrer Resignation leben. Seine Filme studieren, schon Jahrzehnte im Vorhinein, ein Land, das schließlich im erbitterten Trump-Chaos erstarren sollte. In "Nur 48 Stunden", 1982, muss der Cop Nick Nolte bei einem Auftrag, in dem es auf jede Sekunde ankommt, mit dem schwarzen Strafgefangenen Eddie Murphy zusammenarbeiten. Was der, als er sich einmal als Polizist ausgibt, einem Redneck gegenüber brutal auf den Punkt bringt: "I'm your biggest nightmare, a nigger with a badge." Clint Eastwood hatte sich für das Projekt interessiert, aber er wollte den Sträfling spielen, nicht den Cop.

Die Aggression der Blicke, das ist das Material, aus dem Walter Hill seine Filme macht. Blicke lösen die Aktionen ab. In "The Warriors" sitzen der Junge und das Mädchen, dem er in der Nacht begegnete, auf der Rückfahrt nach Coney Island müde in der U-Bahn, verschwitzt, verdreckt, geschunden. Zwei Yuppie-Paare steigen ein, topschick, schäkernd, voller Geringschätzung. Das Mädchen streicht sich verlegen eine Strähne aus dem Gesicht, der Junge stoppt ihre Bewegung, er blickt stumm und regungslos ins Leere. Eine wunderbare Würde geht von ihm aus.

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