Walt-Disney-Museum:Mickey, Donald und "Der Fuehrer"

Naiver Enthusiasmus: In San Francisco setzt Walt Disneys Familie dem Filmmogul mit einem Museum ein Denkmal. Die Bilder.

Jörg Häntzschel

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Mickey, Donald und der "Fuehrer": In San Francisco setzt Walt Disneys Familie dem Filmmogul mit einem Museum ein Denkmal. Die Bilder.

Die Walt Disney Company ist der größte Entertainment-Konzern der Welt. Er hat 150 000 Angestellte und machte 2008 einen Umsatz von 38 Milliarden Dollar. Doch der Zauber, den die Filme, Comics und Themenparks einmal verbreiteten, ist einem wachsenden Unbehagen angesichts von Disneys Weltherrschaft über die Kinderzimmer gewichen.

Text: Jörg Häntzschel/SZ vom 6.10.2009/sueddeutsche.de/rus

Alle Fotos und Abbildungen: Disney Family Museum

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Künstlerisch geriet der Konzern in den letzten Jahren immer mehr ins Hintertreffen. Also kaufte er die kreativere Konkurrenz einfach auf: 2006 wurde Pixar geschluckt, Anfang September Marvel ("Spiderman", "X-Men"). Selbst Walts 75-jähriger Tochter Diane Disney Miller ist nicht wohl bei der Entwicklung des Konzerns, der trotz der Maus im Logo so gesichtslos erscheint. "Er ist so groß geworden", sagt sie. "Aber ich darf nichts sagen." Keiner von Disneys Nachfahren hat bei Disney heute mehr Stimmrecht.

Walt Disney und seine Frau Lilly an Bord ihrer Yacht Rex/Foto: Disney Family Museum

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Das Walt Disney Family Museum, das seine Nachfahren gerade in San Francisco eröffnet haben, ist ein Versuch, das Genie Walt Disneys und seine erstaunliche Karriere wieder aus den Schatten der Konzerngeschichte zurück ins Licht seines Werks zu rücken. Äußerlich fällt es schwer, das Museum mit Disney in Verbindung zu bringen: Es füllt drei historische Backsteinhäuser im Presidio, einem weitläufigen ehemaligen Armeegelände, das zurzeit für die zivile Nutzung umgebaut wird. Vorne liegt der Exerzierplatz, daneben der Soldatenfriedhof und dahinter kreuzt in postkartenhafter Schönheit die Golden Gate Bridge den Himmel.

Foto: Disney Family Museum

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Innen jedoch schießen die Kuratoren genau die Sorte eines multimedialen Feuerwerks ab, die man hier erwartet. Tausende Fotos, Dokumente, Modelle sind zu sehen, Filme auf 200 Monitoren - und die atemberaubende Technik, mit der das alles aufbereitet ist. Es zahlt sich nun aus, dass weder Disney selbst noch seine Archivare je etwas wegwarfen; dass Disney selbst pausenlos notierte, filmte, und fotografierte. Von den Kritzeleien im Highschool-Jahrbuch über die Flugblätter streikender Zeichner bis zum Foto vom Picknick der Disneys in den österreichischen Alpen ist alles erhalten.

Foto: Disney Family Museum

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Disneys Leben entspannt sich zwischen zwei signifikanten Motiven: dem Foto von der windschiefen Holzhütte in Marceline, Missouri, der "Farm, auf der der 1901 geborene Walt zwischen 1906 und 1911 lebte, bis sein Vater bankrott aufgab - und dem funkelnden Modell des 1955 eröffneten Disneyland, dieser Realität gewordenen Traumwelt. Disneys Leben, das ist der Weg von dem einen zu dem anderen Bild. Man kann ihn gehen, so lautet hier der Subtext, wenn man nur fest genug an seine Vision glaubt. "Walt", der wohl Bekannteste und Erfolgreichste unter den amerikanischen Self-made Men, stand in Kansas City jeden Morgen um halb vier Uhr auf, weil er vor der Schule noch Zeitungen austragen musste. Er machte sich jünger , nur um in Frankreich noch die letzten Ausläufer des Ersten Weltkriegs mitzuerleben. Und als er mit gerade einmal 18 Jahren zurückkam, war er, "reif in jeder Hinsicht", wie er fand.

Modell von "Disney World"/Foto: Disney Family Museum

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Für Vaudeville, Klamauk und frühes Kino begeisterte sich Walt schon während der Schule. Er war der Spaßmacher, wie in dem Bild, das ihn, mit Zylinder und angeklebtem Bart, auf einer verschneiten Straße in Kansas City zeigt. Einer, der selbst auf die Armeekrankenwagen in Frankreich seine Witzbildchen kritzelte. Doch man musste eben auch Geld verdienen: Mit 19 startete er seine erste Filmfirma. Mit 21 folgte die zweite, Laugh-O-Gram. Und mit 22, obwohl er bis dahin nichts erlebt hatte als Pleiten und Rauswürfe, geht er nach Hollywood - "mit 40 Dollar in der Tasche und einer Jacke und einer Hose, die nicht zusammenpassten" - um mit seinem Bruder Roy das Walt Disney Studio zu gründen.

Walt Disney in den frühen 1930er Jahren/Foto: Disney Family Museum

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Mit welch einfachen Mitteln Disney anfing, kann man sich heute nur schwer ausmalen. Während die großen Hollywood-Studios bereits mit gigantischem Aufwand weichgezeichnete Starvehikel produzierten, stehen Roy und Walt auf einem Foto von 1924 Pfeife rauchend noch selbst an der Kamera. Was da vor sich ging auf dem Hinterhof-Set, wo sie eine der "Alice Comedies" drehten, erinnert an eine Theateraufführung von Erstklässlern. Erst mit der Erfindung der Mickey Mouse 1928, Star von Disneys erstem Tonfilm "Steamboat Willie", fand Walt Disney die Rezepte, auf der er jahrzehntelang seinen Erfolg gründet.

"Donald Duck in Nutzi Land"/Foto: Disney Family Museum

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Das eine besteht in der nie abgeschlossenen Optimierung aller seiner Formen und Konzepte: Die Geburt der Maus auf einem Stück Schmierpapier - als noch sehr nagerhaftem, eher unsympathischem Ding mit langem Schwanz - ist wie alle Disneyschen Geistesblitze eher zweitrangig. Erst durch unermüdliches Weiterentwickeln und Zurechtschleifen entstand schließlich die Comic-Ikone des 20. Jahrhunderts. Wie gründlich man bei Disney an den Charakteren arbeitete, illustriert da auch das "Schultheis Notebook", ein vom Disney-Mitarbeiter Herman Schultheis zusammengestellter grandioser Foliant, der etwa seitenlang Fotos von Zoo-Elefanten enthält, Material für die Entwicklung von "Dumbo".

Aus dem Notizbuch von Herman Schultheis, 1933/Foto: Disney Family Museum

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Das andere war die Kunst der Mehrfachverwertung. Statt sich mit dem Erfolg der Filme und Cartoons zufrieden zu geben, erfand Disney mit dem "Mickey Mouse Club", mit den Spielzeugfiguren und schließlich mit den Themenparks die in immer neue mediale Sphären ausgreifende moderne Merchandisingmaschine. Dass nicht das Neue, sondern das Vertraute in immer neuen Varianten ankommt, war eine seiner Grundideen.

Doch das funktionierte nur, solange das Innovationsfeuer loderte. Kaum war das Animationsgenre ausgereift, schickte er Tierfilmer für seine "True-Life Adventures" in den Dschungel. Und nur zwei Jahre später folgte mit der "Schatzinsel" der erste konventionelle Spielfilm.

Foto: Disney Family Museum

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Unter den aufregendsten Exponaten des Museums sind übrigens die Propaganda- und Erziehungsfilme, für die Disney während des Zweiten Weltkriegs den größten Teil seiner Studiokapazität freistellte. Da wurde nicht nur für ein gutes Frühstück, pünktliches Steuerzahlen und Respekt für Frauen in öffentlichen Verkehrsmitteln geworben. Disney schaltete sich in seinem atemberaubenden Animationsfilm "Victory through Air Power" (1943) mit geballter ästhetischer Feuerkraft auch in die amerikanischen Debatten um die militärische Antwort auf Hitler ein. Schriller waren nur noch seine Aussagen vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe, die hier im O-Ton zu hören sind - laut Diane Disney Miller auch weiterhin der ganze Stolz der Familie: "Ich finde, man sollte die Kommunisten wirklich ausräuchern . . ."

Zum Foto: Walt Disneys naiver Enthusiasmus tat seinen Propagandawerken manchmal ganz gut: Der Kurzfilm über Donald Duck's Albtraum, in einer Munitionsfabrik der Nazis Bomben im Akkord zu bauen, geriet beispielsweise zur surrealistischen Farce mit Hitlergruß-Slapstick und einer Blaskapelle, in der Hirohito, Göring, Goebbels und Mussolini den Titelsong spielen. Ursprünglich hieß der Film "Donald Duck in Nutzi Land". Spike Jones hatte das Lied mit dem Refrain "Ven der Fuehrer says, ve is der master race, ve heil! Heil! Right in der Fuehrer's face!" zum Hit gemacht, noch bevor der Film zum Neujahrstag 1943 erschien. Zwei Monate später erhielt Disney dafür den Oscar für den besten animierten Kurzfilm/Abbildung: Disney Family Museum

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Man könnte die tausenderlei Splitter des großen Disney-Kaleidoskops so schütteln oder anders: Hinter das paradoxe Genie des Mannes würde man wohl nie kommen. Wer sonst besaß Disneys "grenzenlose Naivität" (Diane) und seinen fast unheimlichen Geschäftssinn? Wer sonst war Auteur und Mogul gleichzeitig, Visionär und Pedant, der jeden Strich, der das Haus verließ, persönlich abzeichnete?

Disney pflanzte das Ideal der Kindlichkeit als paradoxe nostalgische Utopie ins Bewusstsein der westlichen Welt ein. Doch wie lange nach ihm sein eifrigster Nachahmer und heutiger Grabnachbar Michael Jackson trachtete er selber danach. Disneyland und Disneyworld wurden eben keineswegs von zynischen Marketingexperten an Konferenztischen entwickelt, sondern im Garten der Familie, wo Disney gerne - als Eisenbahner verkleidet mit Ölkännchen in der Hand - mit seiner rund um die Villa stampfenden Modelleisenbahn spielte, einem Vorläufer seiner späteren Miniaturwelten. "Es war mir peinlich", sagt Diane heute mit rollenden Augen. Aber ihm eben nicht. Auch Salvador Dalí durfte einmal mitfahren, ein wunderbares Foto zeigt ihn selig grinsend rittlings auf einem Güterwaggon.

THE DISNEY FAMILY MUSEUM: 104 Montgomery Street, The Presidio of San Francisco, Telefon +1-415-345 6800. Info: www.disney.go.com/disneyatoz/familymuseum. Öffnungszeiten: Tägl. außer Dienstag 10.00 bis 18.00.

Walt Disney, Tochter Diane Disny Miller und Enkel Christopher Miller, 1957 in Disney Land/Foto: Disney Family Museum

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