Wagner-Festspiele in Bayreuth:Die letzten Spiele des Alten

Zu Wolfgang Wagners Abschied eröffnen die Bayreuther Opern-Festspiele mit einer Neuinszenierung des "Parsifal" - wird damit auch das Neue Bayreuth eingeläutet?

Reinhard Brembeck

Wenn am kommenden Freitag die Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele mit einer Neuinszenierung des "Parsifal", des Meisters letzten Werks, eröffnen, dann wird das an Hysterie grenzende Interesse an diesem merkwürdigen und nicht zuletzt deshalb berühmtesten aller Festivals ins Maßlose steigen.

Wagner-Festspiele in Bayreuth: Wolfgang Wagner mit seiner Tochter Katharina

Wolfgang Wagner mit seiner Tochter Katharina

(Foto: Foto: dpa)

Denn die Saison 2008 ist die letzte des 88-jährigen Wolfgang Wagner, des Enkels des Komponisten. 1951 übernahm Wolfgang zusammen mit seinem Bruder Wieland die Festspiele und betrieb Entnazifizierung und Neuausrichtung. Seit dem Tod Wielands 1966 hat Wolfgang das Unternehmen alleine geführt, seit den Siebzigern mit einem Vertrag auf Lebenszeit.

Was, nach legendären Aufführungen wie Patrice Chéreaus "Ring" von 1976, zum Problem wurde. Bayreuth, so der Vorwurf, wirke oft müde und nicht auf der Höhe der Wagner-Rezeption, weder musikalisch noch szenisch.

In einem Hauruckverfahren versuchte deshalb vor zehn Jahren Bayerns Kunstminister Hans Zehetmair, Wolfgang aus dem Amt zu drängen - und scheiterte. Denn Wolfgang wollte nach guter Bayreuth-Sitte familiäre Kontinuität in der Festivalleitung und deshalb seine Frau Gudrun durchsetzen.

Die zuständigen Politiker aber setzten auf die für Wagner-Verhältnisse recht stille Musikmanagerin Eva, Wolfgangs Tochter aus erster Ehe. Sie wurde als Chefin nominiert, scheiterte aber am Veto des Patriarchen, der die Tochter verstoßen hatte.

Mittlerweile war in Wolfgangs zweiter Tochter Katharina eine neue Aspirantin auf die Hügel-Herrschaft herangewachsen. Eine sehr junge und sehr machtbewusste Regisseurin, die zielstrebig auf die Übernahme der Festspiele hindrängt. Dass seit ein paar Jahren eigenwillige Regisseure wie Christoph Marthaler, Christoph Schlingensief, Tankred Dorst und Stefan Herheim das Bayreuth-Bild bestimmen, wird gern ihrem wachsenden Einfluss zugeschrieben. Als Katharina im vergangenen Jahr mit den "Meistersingern" ein viel gescholtenes, aber mehr als beachtliches Bayreuth-Debüt hinlegte, war ihr Anspruch auf die Bayreuth-Nachfolge kaum mehr abzuweisen.

Dann überstürzten sich die Ereignisse. Im vergangenen Herbst starb überraschend Wagners Frau Gudrun, daraufhin söhnten sich Wolfgang und Eva aus, Katharina bewarb sich mit Eva um die Nachfolge, und Wolfgang erklärte seinen Rücktritt zum Ende dieser Festspiele.

Der Stiftungsrat wird demnächst wohl die beiden Halbschwestern als neue Hügel-Herrinnen einsetzen. Eine pragmatische, am Erfolg orientierte Lösung, die sicher nicht die von vielen geforderte Neuorientierung der Festspiele verspricht - für die Katharinas aus dem Rennen geschlagene Cousine Nike bereitstünde.

Also wird Bayreuth wie bisher und mit wechselndem Glück nur die sieben großen Wagner-Werke präsentieren, aber als Festival nicht neu erfunden werden. Weshalb sich das Interesse speziell auf die Regisseure richtet. Dass dieses Jahr Daniele Gatti als "Parsifal"-Dirigent debütiert, ist deshalb weniger Botschaft, als dass der 1970 in Oslo geborene Theaterberserker Stefan Herheim zum Zug kommt.

Als er bei den Salzburger Festspielen 2003 Mozarts "Entführung aus dem Serail" einem teils fassungslos verstörten, teils anarchistisch begeisterten Publikum hinschleuderte, indem er auf die Figur des Schurken, des Brautkäufers Bassa Selim verzichtete, konnte man ein neues Theatergenie ahnen. Am Freitag aber geht es um mehr. Da muss Herheim das Neue Bayreuth einläuten.

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