Vorschlag-Hammer:Zauber der zwölf Takte

Lesezeit: 2 min

Es geschah Mitte der Sechzigerjahre, als der junge Musiklehrer des Gymnasiums Schäftlarn, ein Benediktiner namens Pater Anselm Mayer, die damalige vierte Klasse in den Circus Krone schickte, um dem legendären Trompeter Louis Armstrong zu lauschen. Da musste ich mit, auch wenn mich bis dahin Musik jenseits von Klassik und Barock kaum mehr als peripher interessierte

Kolumne von Karl Forster

Drei kleine Geschichten vom Blues. Es geschah Mitte der Sechzigerjahre, als der junge Musiklehrer des Gymnasiums Schäftlarn, ein Benediktiner namens Pater Anselm Mayer, die damalige vierte Klasse in den Circus Krone schickte, um dem legendären Trompeter Louis Armstrong zu lauschen. Da musste ich mit, auch wenn mich bis dahin Musik jenseits von Klassik und Barock kaum mehr als peripher interessierte. Vielmehr plagte ich mich damals mit Bachs Italienischem Konzert, vor allem mit dessen rasendem dritten Satz. Dieser Abend aber veränderte mein Leben: Schon zwei Wochen später hielt ich ein Referat zum Thema "Der Blues" und entweihte dabei den klostereigenen Flügel mit dem Zwölftakte-Schema dieser neuen Welt, natürlich in C-Dur, weil das am einfachsten ist.

Etwa 20 Jahre später tauchte in der Redaktion der Abendzeitung der berühmte Bluesgitarrist Alexis Korner auf, geboren 1928 und somit damals schon ein betagter Mann. Er sollte zwei Tage später ebenfalls im Circus Krone aufspielen, doch der Vorverkauf lief schlecht, die Achtzigerjahre waren zu blöd für den Blues. Da schlug ich vor, mit ihm auf den nahen Marienplatz zu gehen; er solle dort wie ein Straßenmusiker ein bisschen Blues spielen. Und wir würden darüber in Wort und Bild berichten. Gesagt, getan, binnen fünf Minuten standen an die 100 Menschen um den ihnen unbekannten Bluesman und konnten es gar nicht fassen. Sie standen im Zauber der zwölf Takte und drei Harmonien, auch zwei Polizisten waren dabei.

Am Montag, 8. April, gastiert nun John Mayall in der Muffathalle. Die Jüngeren werden mit diesem Namen nicht viel anfangen können, er wurde nur fünf Jahre nach Alexis Korner geboren, der 1984, kurz nach dem Marienplatz-Abenteuer, gestorben war. Mayall spielt Blues, ob weißen Blues oder schwarzen Blues, ist jetzt mal egal. Aber dieser große, asketische Mann mit heute kürzerem Haar als früher ist kein Relikt einer vergangenen Zeit, sondern lediglich Hohepriester einer Musik, deren Schema, basierend auf den Songs der Sklaven und schon von Dvořák in seiner Symphonie "Aus der neuen Welt" nacherzählt, die Musik des 20. Jahrhunderts geprägt hat von Gershwin über die Beatles und die Rolling Stones bis Prince und Joss Stone (vorausschauender Tipp: Sie singt am 10. Juli in der Philharmonie).

Und wenn ich mir nur das Münchner Musikangebot für diesen Samstag anschaue, finde ich Blues allerorten: im Antons bei der Munich Blues Session, im Stemmerhof bei Captain Matt & His New Gentleman of Boogie, im Fraunhofer beim Monaco Swing Ensemble, außenrum bei der Boogie Woogie Nacht in der Erdinger Stadthalle oder bei Stefan L eonhardsberger & Martin Schmid im Alten Speicher zu Ebersberg und dem Lied "Da Billi Jean is ned mei Bua". Ein halber Blues, immerhin.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: