Vorschlag-Hammer:Wortexperten

Lesezeit: 2 min

Es erfreut sich gerade unheimlicher Beliebtheit: das Niedertexten. Selbstverständlich haben dazu Historiker, Philosophen und Autoren etwas zu sagen

Von Antje Weber

Neulich in der Straßenbahn: Eine junge Frau erzählt am Telefon aller Welt, die es nicht hören will, von ihrem letzten Jobgespräch. Ja, es war ihr letztes, denn sie gab zum Abschied einem Chef, mit dem es nicht so gut gelaufen war, ordentlich etwas mit: "Ich habe ihn krass niedergetextet!"

Ohne jetzt näher darauf eingehen zu wollen, dass Chefs nie gerne krass niedergetextet werden und im Wiederholungsfalle den Jobverlust womöglich stark beschleunigen: Das Niedertexten erfreut sich ja allerorten einer geradezu unheimlichen Beliebtheit, vom heimischen Wohnzimmer bis zur Pegida-Demo der Einheimischen. Kein Wunder, dass da auch Autoren aller Art als Textexperten alsbald zur Stelle sind und mögliche Bezüge zwischen dem Niedertexten und dem daraus im schlimmsten Falle resultierenden Niederschlagen oder gar Niederschießen herstellen. Zum Beispiel die Historiker Herfried Münkler und Jörg Baberowski, die sich im Literaturhaus mit Gewalt, Terror, Krieg auseinandersetzen (4. Februar) und nach den Gründen dafür fragen. Ihre Antworten sind sicher andere als die der Philosophin Rebekka Reinhard und der Publizistin Miriam Meckel, die am 16. Februar am selben Ort den unterschiedlichen Umgang von Frauen und Männern mit Macht analysieren. Der hängt natürlich nicht nur, aber auch mit dem Gebrauch von Sprache zusammen. Wer ist im Niedertexten besser, Frauen oder Männer? Wer da eine Antwort wüsste. . . täte an dieser Stelle gut daran, sie für sich zu behalten.

Um also zum nicht ganz so stark verminten Gelände des eher allgemeinen Redens und Textens zurückzukehren: Gerade das Sprechen über Texte, vulgo die Dichterlesung, ist ja auch ein interessantes Feld. Leider gibt es seit Jahresanfang den Newsletter "Klappentext" nicht mehr, der die Verbreitung von Münchner Dichterlesungsterminen förderte. Wie bekommt man trotzdem die Dichterlesungssäle voll? Darüber und vieles mehr werden der Veranstalter-Tausendsassa Otger Holleschek, die Literaturhaus-Mitarbeiterin Katrin Lange und der Lyriker Tristan Marquardt an diesem Mittwoch, 3. Februar, im Literaturhaus diskutieren. Marquardt kann gleich darauf am 11. Februar im Einstein bei "Meine drei lyrischen Ichs" vorführen, wie er sich eine gute Lesung vorstellt: Es gibt Kunst auf die Augen und Verse auf die Ohren. Soweit klingt das ja recht konventionell; diesmal lesen Mara-Daria Cojocaru, Jopa Jotakin und Georg Leß. Letzterer allerdings wird nicht nur als Lyriker angekündigt, sondern auch als "Horrorfilm-Vermittler". Das lässt auf einen äußerst unheimlichen Anhänger der besonders krassen Niedertexterei schließen. Hauptsache, der Mann betreibt sein Gewerbe nicht am Handy in der Straßenbahn.

© SZ vom 03.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: