Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Wimmelbilder und Gewusel

Bei einer Monet-Ausstellung in der Wiener Albertina sollte eigentlich "Die Welt im Fluss" sein. Aber von wegen. Da floss gar nichts, da staute es sich draußen wie drinnen, als ob einer eine Mauer errichtet hätte

Kolumne Von Evelyn Vogel

Natürlich war mir schon vorher klar, dass ich nicht die einzige sein würde, die in der Vorweihnachtszeit nach Wien fährt. Aber mit so einem Gedränge hatte ich dann doch nicht gerechnet. Ob am Frühstücksbüffet, im Caféhaus, auf dem Weihnachtsmarkt oder im Restaurant - anstehen war die Regel. Und weil es den Wienbesucher nicht nur nach leiblichen, sondern auch nach geistigen Genüssen dürstet, herrschte vor den Museen das gleiche Bild: Schlange stehen war angesagt.

Bei Monet in der Albertina sollte "Die Welt im Fluss" sein. Von wegen. Da floss gar nichts, da staute es sich draußen wie drinnen, als ob einer eine Mauer errichtet hätte. Aber Monets Alterswerk so wie hier vor Augen geführt zu bekommen und einen Blick auf die vielen internationalen Leihgaben zu erhaschen, war das Anstehen doch wert (noch bis 6. Januar). Noch viel voller war es erwartungsgemäß in der großen Bruegel-Ausstellung im Kunsthistorischen Museum. Trotz Einlass-Zeitfenster und besonders langen Öffnungszeiten (bis 13. Januar). Viele der Wimmelbilder hätte ich mir gern intensiver angeschaut, aber da konkurrierte das Gewusel vor mit dem auf den Gemälden: Voraussichtlich mehr als 400 000 Besucher werden bis zum Ende der Ausstellung an den wunderbaren Bruegels vorbeigegangen und womöglich einige der 230 Figuren in den "Kinderspielen" gesehen haben. Aber auch hier: Die beiden Fassungen des "Turmbaus zu Babel" - die großformatige, auch mit Menschen bevölkerte aus Wien neben der kleineren, eindrucksvoll umwölkten aus Rotterdam - im direkten Vergleich zu sehen, war aufschlussreich und jede Minute Wartezeit wert.

Natürlich hatten die Wiener auch bei den Münchnern um Bruegel-Leihgaben angefragt. Die haben das Porträt der alten Bäuerin auch nach Österreich geschickt - wo mir das strenge Halbprofil mit erhobenem Blick zugegebenermaßen so derartig ins Auge sprang, dass ich mich frage, wo es normalerweise in München hängt und warum es mir hier nie so recht aufgefallen ist. "Das Schlaraffenland" von 1567 durfte aus konservatorischen Gründen jedoch nicht reisen. Das kann man also weiterhin in der Alten Pinakothek bewundern - was nach den Völlereien von Weihnachten doch perfekt passt. Vor diesem Museum werden die Schlangen für die wunderbare Sonderausstellung Florenz und seine Maler, die bis 3. Februar verlängert wurde, mittlerweile ein wenig kürzer. Zudem gibt es dienstags und mittwochs zusätzliche Abendöffnungen bis 21 Uhr, und am 10. und 24. Januar locken weitere musikalische Intermezzi in der Ausstellung zur After Work mit Vino, Arte, Musica.

Ganz sicher gehe ich in den nächsten Tagen auch noch einmal in die Neue Pinakothek, bevor diese wegen der Generalsanierung am 31. Dezember für mehrere Jahre schließt. Wer also beispielsweise die Monets in der Münchner Sammlung noch einmal am angestammten Platz sehen will, sollte sich bald anstellen. Denn da der Besuch für die Neue Pinakothek in den letzten Tagen auch noch kostenlos ist, könnte es durchaus zu langen Schlangen kommen.

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Quelle:
SZ vom 21.12.2018
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