Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Wilde Nächte mit Frauen

Im Neuen Maxim hat soeben die Frauenfilmreihe "Bimovie 25" begonnen, die noch bis 13. November geht. Den schönsten Film gibt es da am Sonntagnachmittag, Varda par Agnès, in dem die französische Filmemacherin Agnès Varda, die im März gestorben ist, ihr Leben noch einmal erzählt - und Erzählen heißt bei ihr immer und überall inszenieren

Von Fritz Göttler

Lasst uns jetzt famose Frauen preisen ... Den Anlass bietet die Frauenfilmreihe "Bimovie 25" an diesem Wochenende im Neuen Maxim in der Landshuter Allee, die diesmal stark biografisch orientiert ist. Den schönsten Film gibt es da am Sonntagnachmittag, Varda par Agnès, in dem die französische Filmemacherin Agnès Varda, die im März gestorben ist, ihr Leben noch einmal erzählt - und Erzählen heißt bei ihr immer und überall Inszenieren. Bei Sans toit ni loi zum Beispiel (deutsch: Vogelfrei, 1986), der der jungen Tramperin Mona durch den winterlichen Süden Frankreichs folgt, erinnert sie uns daran, dass sie alle zehn Minuten eine Kamerafahrt in den Film einbaute und ihn so rhythmisierte. Und schon sieht man sie, während sie weitererzählt, auf einem kleinen Kamerawagen neben einer Kameraattrappe sitzen, von einem Mitarbeiter durchs öde Feld geschoben. Ich liebe es, kleine Rätsel in einen Film einzubauen, deren Lösung nur ich kenne, erklärt sie vergnügt, und das Vergnügen ist auch ganz unsererseits. (Wer an diesem Wochenende keine Zeit für Varda hat - der Film hat einen deutschen Verleih.)

Dem Mut der Frauen widmet sich Shooting the Mafia von Kim Longinotto, über die Fotografin Letizia Battaglia, die sich nicht nur in einem harten Männerberuf behaupten wollte, sondern zudem mit einem extrem brutalen Thema - sie fing an in Palermo die Gewalt der Mafia zu dokumentieren, ihre Opfer und die Strukturen einer Gesellschaft, die von der Mafia geprägt ist. Battaglia ist eine farbige Figur, und was die extravagante Tönung ihrer Haare angeht, kann sie sich durchaus mit Varda messen. Wilde Literatinnen gibt es auch in der Reihe, etwa JT Leroy von Justin Kelly, die (nicht fiktive) Geschichte eines literarischen Eklats. Eine Schriftstellerin (Laura Dern) lässt in ihrem (autobiografisch getönten) Buch die entscheidende Leerstelle - die Person und das Bild der Autorin. Als der Literaturbetrieb solche Anonymität nicht zulässt und immer quengeliger wird, lässt sie den Autor von einer jungen Bekannten verkörpern, mit Wuschelperücke und Sonnenbrille. Kristen Stewart verkörpert diesen Transgender-Typen, der so unangepasst daherkommt wie Vardas Mona. Ebenso subversiv: die amerikanische Dichterin Emily Dickinson,in Wild Nights with Emily von Madeleine Olnek, mit Molly Shannon als Emily. In ihrem Gedicht "Wild Nights" heißt es, mit durchaus sexuellem Beiklang: "Were I with thee/Wild nights should be/Our luxury!"

Frauenpower an einem Ort, wo man sie oft übersieht, dokumentieren Katja Raganelli und Konrad Wickler in Unsichtbare Frauen - Filmemacherinnen in Hollywood, Mittwoch im Filmmuseum. Besonders in der Stummfilmzeit war die Arbeit der Frauen wichtig, die der Stars, der Drehbuchschreiberinnen, der Cutterinnen. Einer von ihnen ist der zweite Film des Programms gewidmet, Margery Wilson (1896-1986), die in Griffiths "Intolerance" spielte und dann selbst Filme drehte.

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Quelle:
SZ vom 08.11.2019
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