Vorschlag-Hammer:Vorbilder in Ehren

Schon in meiner Jugend habe ich die tschechische Journalistin und Schriftstellerin Milena Jesenská, die ihren Mut 1944 im KZ Ravensbrück mit dem Tod bezahlte, bewundert. Wie schön, dass der Stifter-Verein wieder an Jesenská erinnert, mit einem Abend am 22. März im Sudetendeutschen Haus

Kolumne von Antje Weber

Es gibt Bücher, die muss man nicht mehr zur Hand nehmen. Es reicht zu wissen, dass sie da sind, zwei Meter entfernt im Regal; alte Vertraute, mit denen man gemeinsam vergilbt. Und so ziehe ich nur ganz selten und vorsichtig den zerfledderten Band "Alles ist Leben" mit Feuilletons und Reportagen von Milena Jesenská aus dem Regal, wo er zwischen den Biografien von Sophie Scholl und Rosa Luxemburg in Ehren verstaubt. Sofort finde ich die Stellen wieder, die mir einmal so wichtig waren, dass ich sie nicht nur mit Bleistift unterstrichen habe, sondern mit rotem Buntstift; und wo die Linien nicht wie sonst krumm hingekrümelt sind, sondern sorgfältig mit Lineal gezogen. Wie habe ich diese Frau in meiner Jugend bewundert! Und sie ist immer noch eine meiner Heldinnen, diese kluge und kämpferische tschechische Journalistin und Schriftstellerin, die ihren Mut 1944 im KZ Ravensbrück mit dem Tod bezahlte - und die so viel mehr war als "Milena, Kafkas Freundin", auch wenn eine Biografie von Margarete Buber-Neumann das einst nahelegte. Wie schön, dass der Stifter-Verein an Jesenská erinnert, am 22. März im Sudetendeutschen Haus.

Jede und jeder wählt sich seine eigenen Vorbilder - und muss auf Identifikationsfiguren natürlich auch erst einmal gestoßen werden. Für Frauen gab es da in der Geschichte nicht so viele Angebote wie für Männer; und auch wenn sich das seit Längerem ändert, bleibt es wichtig, gezielt an herausragende Frauen zu erinnern - nicht nur eingedenk des Internationalen Frauentags am 8. März, nicht nur anlässlich der "Me Too"-Debatte. Wer zum Beispiel kennt die Revolutionärin Sonja Lerch? Sie kämpfte 1918 in München mit Kurt Eisner für den Frieden und bezahlte dafür mit dem Leben. Cornelia Naumann hat ihre Geschichte recherchiert, sie stellt ihren Roman "Der Abend kommt so schnell" am 22. März in der Seidlvilla vor. Und auch wenn ein Name wie Anita Augspurg bekannter ist: Die Monacensia-Ausstellung "Evas Töchter" über Münchner Schriftstellerinnen und die Frauenbewegung 1894-1933 bietet die Gelegenheit, Namen wie Sophia Goudstikker oder Ika Freudenberg künftig ebenfalls besser einordnen zu können (ab 15. März).

Inwieweit Erika Mann und Therese Giehse als Vorbilder taugen? Gunna Wendt analysiert in einem Doppelporträt die Beziehung zwischen der Schriftstellerin und der Schauspielerin; starke, selbstbestimmte Frauen waren sie beide (8. März, Lentner). Aber vielleicht suchen sich junge Frauen heute sowieso ganz andere Vorbilder - beim Wortspiele-Festival, zu dem in diesem Jahr sehr viel mehr junge Autorinnen als Autoren eingeladen sind, könnte man das ja mal erfragen (7.-9. März, Ampere). Einen Satz wie diesen, 1926 von Milena Jesenská geschrieben, würden jedenfalls wohl immer noch viele unterstreichen: "Wir hüten die Vergangenheit als Schatz und berechnen die Zukunft, aber vergeuden die Gegenwart auf hoffnungslose Weise." Schnell also den letzten Staub vom Buch gepustet; und schon steht es wieder im Regal, an seinem Ehrenplatz.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: