Vorschlag-Hammer:Verflixt und zugedröhnt

Im Fernsehen mag das nach einer Gaudi aussehen, aber sobald Kameras und Beleuchter da sind, wird es heiß. Die Fahrt zur "MTV unplugged"-Aufzeichnung mit Andreas Gabalier war bedingt vergnüglich

Von Michael Zirnstein

Vier Uhr morgens mit tiefen Augenringen im Flixbus frage ich mich dann schon, ob sich das gelohnt hat. Diese Fahrt nach Wien zur "MTV unplugged"-Aufzeichnung von Andreas Gabalier. Während die Polizisten im neonhellen Bus-Kontrollzelt ein gutes Stündchen lang zusammen mit einem schwitzenden Passagier nach dessen Pass suchen, gehe ich den Abend noch mal durch. Habe ja nichts anderes zu tun. Also erst mal: Solche Aufzeichnungen sind kein Spaß. Im Fernsehen mag das nach einer Gaudi aussehen, aber sobald Kameras und Beleuchter da sind, wird es heiß. Gefühlte 40 Grad im Odeontheater. Telegene Menschen werden vorne auf Loungemöbel gesetzt, hässliche hinter die Hornisten. Mir tuten immer noch die Ohren. Der Sound wird für DVD und CD abgemischt, niemals fürs anwesende Publikum. Das hört dann anstelle des Sängers und des Orchesters hauptsächlich das rumpelnde Schlagzeug, es sei denn, die Hornisten sind dran. Und was dann im Fernsehen zwei Stunden lang auf hohem Stimmungslevel durchmarschiert, dauert in echt vier Stunden - wer bei Gabaliers "Hulapalu" schon aus dem Après-Ski-Stadl flüchtet, liebt es beim dritten Aufzeichnungsanlauf sicher nicht mehr. Trotzdem soll man lustig sein und klatschen. Was selbst dem Gabalier zu viel wurde, als die Meute in sein Duett mit Xavier Naidoo hineinpolterte: "Nein, lasst's es, Musikantenstadl brauch' ma heute nicht."

"MTV unplugged" - das war mal was: Nirvana, Clapton, Sting, Oasis, A Tribe Called Quest, Sportfreunde Stiller (in Grünwald). Was soll die steirische Schmalztolle da? Das fragte ich neulich auch im Interview Reinhard Fendrich. Wir schauten uns mit großen Augen an, wussten beide keinen Rat. Fendrich wundert gar nichts mehr, sagte er, höchstens, dass der Austro-Pop-Produzentenguru Christian Kolonivits Gabaliers Orchester dirigiere. Neidisch sei er jedenfalls nicht, meinte der Alt-Star, der sein neues, recht besorgtes Album "Schwarzoderweiß" am 18. Februar in der Olympiahalle vorstellt, während Gabalier für 1. Juli zum zweiten Mal das Stadion gebucht hat.

Natürlich ist "der Andi" Profi genug, sein "absolutes musikalisches Lebenshighlight", als erster Österreicher in der "Sammelreihe" aufzutreten, nicht zu vergurken. Gerade die Duette waren bezaubernd, soweit ich das an den Hornistenhäuptern vorbei mitbekommen habe. Bei Max Giesingers "Sie" schmolzen die Zurechtgezupften in der ersten Reihe dahin. Den Busenbacher "The Voice"-Finalisten sollte man sich am 7. Oktober im Technikum in voller Länge anhören. Enttäuscht war ich nur, dass der ummunkelte Auftritt von der Volks-Opern'n'Rollerin Anna Netrebko nicht stattfand, sondern später nur hineingebastelt wird.

Was ich noch immer nicht verstehe, ist dieser grassierende Heimatstolz, der Gabalier die Fan-Scharen zutreibt. Er ist wohl kein Rechter, profitiert aber von der Fremdenangst derer, die ihre schöne heile Welt partout mit niemandem teilen wollen. Ganz anders ist da das weltoffene 21. Ander-Art-Festival am Odeonsplatz (24. September). Da ist jeder willkommen, vor und auf der Bühne. Beim Multikulti-Programm freue ich mich besonders auf die drei Linzer der Folkshilfe - Volks-Rock'n'Roll unplugged, absolut fremdenfreundlich. Wenn es nach denen und mir ginge, müsste kein Flixbus nach Flüchtlingen gefilzt werden.

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