Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Selbst ist der Kritiker

Den Auftritt der Kritikerband beim Unterfahrt-Jubiläum, das gerade gefeiert wird, könnte man eigentlich wunderbar dazu nutzen, den Kollegen mal so richtig eins reinzuwürgen. Dazu besteht aber nicht der geringste Anlass

Kolumne von Egbert Tholl

Vor ein paar Tagen schrieb an dieser Stelle mein Kollege Oliver Hochkeppel, er sei gespannt auf die Kritiken. Und zwar auf jene, die seinen eigenen Auftritt beschreiben. Seine Vorfreude rührte daher, dass beim Geburtstagsfest des Jazzclubs Unterfahrt dort auch die Band der Münchner Jazzkritiker spielte. In dieser sitzt Hochkeppel am Klavier beziehungsweise am Fender Rhodes; er ist darin aber nicht der alleinige Vertreter dieser Zeitung, denn Ralf Dombrowski macht dort auch mit und bedient alles mögliche, womit man Tön erzeugen kann.

Nun könnte man den Auftritt der Band dazu nutzen, den Kollegen mal so richtig eins reinzuwürgen, doch dafür bietet sich gar nicht viel Anlass, auch wenn der geschätzte Kollege Hochkeppel in seinem Solostück sich nicht so recht entscheiden konnte, ob er auswendig oder vom Blatt spielen solle und schließlich einen unternehmungslustigen Mittelweg beschritt. Dank eines Vollprofis am Bass, Wolfgang Schmid, aber nicht nur seinetwegen, hat der Auftritt ein profundes Fundament, und man selbst denkt wehmütig an die Zeit, in der man selbst Instrumente bediente, mitunter, aber nicht nur zum Schrecken der Mitwelt. Gleichzeitig denkt man unweigerlich darüber nach, in welchem Verhältnis bei den Kollegen das Machen von Musik zum Schreiben darüber steht. Das ist sehr interessant. Bei manchen ist es völlig kongruent, andere verblüffen mit einer Musikalität, die dem Klang so manchen Spracherzeugnisses abgeht. Aber letztlich ist man dann doch wieder froh, dass man gerade bei den Kollegen nicht mitmacht, denn im Istzustand der eigenen Fähigkeiten wäre das Fiasko fabelhaft.

Was zu einem damit verwandten Punkt führt. Vor zwei Jahren sah ich drei verschiedene Inszenierungen von Arthur Millers Hexenjagd, in München, Wien und Zürich. Nun kam eine weitere hinzu, in Starnberg, in der Schlossberghalle dort. Und zwar eine Produktion des Starnberger Theatervereins Tragaudion, bei dem ich vor 20 Jahren selbst spielte, seltsamerweise zwei Mal hintereinander im selben Kostüm, obwohl die Rolle eine andere war. Aber so musste ich mich nicht groß umgewöhnen, ähnlich wie jetzt, denn drei von denen, mit denen ich damals spielte, stehen nun wieder auf der Bühne, noch ein paar Mal in Starnberg und dann am 23. und 24. März im Einstein Kulturzentrum, wo ja auch die Unterfahrt beheimatet ist. Auch wenn das nun völlig wahnsinnig klingt: Tragaudion kann neben den anderen Hexenjagden bestehen! Ohne mich. Scheiße.

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Quelle:
SZ vom 17.03.2018
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