Vorschlag-Hammer:Schätze in Glassärgen

Obwohl aller Familienbesitz in zwei Weltkriegen verloren war, hat meine Großmutter an bestimmten Werten immer festgehalten. Dazu gehörte auch, dass ein Festtagsessen immer an einer festlich gedeckten Tafel zu genießen ist, auf Tellern, die der Rahmen verdient

Kolumne von Susanne Hermanski

Es ist Karfreitag, und während ich mein Geschirr fürs Osterfrühstück nach Stücken ohne Risse und Läsuren sondiere, wird mir schwer ums Herz. Was hätte meine Großmutter zu diesem Elend gesagt? Obwohl aller Familienbesitz in zwei Weltkriegen verloren war, hat sie an bestimmten Werten immer festgehalten. Dazu gehörte, dass ein Festtagsessen auch an einer festlich gedeckten Tafel zu genießen ist, auf Tellern, die der Rahmen verdient. Traurig stimmt mich die Lage aber nicht nur, weil ich selber ein Tischkultur-Chaot bin. Mir geht durch den Kopf, wie ich vor wenigen Tagen durchs Bayerische Nationalmuseum gelaufen bin. Der Westflügel, seit kurzem neu eingerichtet, birgt einen gigantischen Schatz an feinstem Porzellan, Silber und Tafelaufsätzen. Trotzdem sind die Räume fast immer menschenleer (und deshalb leider ein Geheimtipp). In der Residenz, wo jüngst ebenfalls die Säle mit den edelsten fürstlichen Geschirren neu eingerichtet worden sind, findet sich ein anderes Bild. Besucher gibt es dort. Doch die Grüppchen von Touristen, die das 24-Hours-Paket gebucht haben, nehmen die Herrlichkeiten von den Erzeugnissen der Nymphenburger Porzellanmanufaktur bis zur silbrigen Kriegsbeute nur im Vorübereilen wahr. Das Wissen um den tieferen Wert dieser Stücke, die Geschichten, die an jedem einzelnen hängen, dieser unsagbaren Handwerkskunst, scheint perdu. So sind sie Schätze in Glassärgen, Schneewittchen, nur gelegentlich von sonderführenden Kunsthistorikern aus dem Schlaf geküsst.

Weil Ostern aber das Fest der Hoffnung ist, will ich auch ein Gegenbeispiel berichten. Genau am Gründonnerstag haben Alfredo Reyes und Michael Röbbig die neuen Räume ihrer traditionsreichen, auf frühe Porzellane und Antiquitäten spezialisierten Kunsthandlung eröffnet. Und was sie da im Neorenaissance-Palais an der Brienner Straße 25, geschaffen haben, ist so beglückend wie opulent: Keinen Laden im eigentlichen Sinn, sondern eine Enfilade, eine Raumflucht von verschiedenen Salons, in denen ihre Objekte so eingerichtet sind, wie sie einmal gedacht, wofür sie gemacht worden sind.

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