Vorschlag-Hammer:Rausch ohne Kater

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Die Götter stiegen herab aus dem Olymp, und die Griechen feierten. Aus der Geburt wurde Tradition, und die nannte man "Dionysien". Die gibt es nun auch, aber nicht dort, wo es warm ist, sondern in Salzburg

Von Egbert Tholl

Als unser Theater zur Welt kam, war es ein großes Fest. Die Götter stiegen herab aus dem Olymp, und die Griechen feierten. Aus der Geburt wurde Tradition, und die nannte man "Dionysien". Die gibt es nun auch, aber nicht dort, wo es warm ist, sondern in Salzburg, wo es zwar auch warm sein kann, jetzt aber nicht ist. Doch die Felsenreitschule wird bespielt, und zwar vom Salzburger Landestheater, das dort bis Ende November das macht, was vor cirka 2500 Jahren erfunden wurde: Dionysien.

Unterzeile: "Theater. Spektakel. Rausch." Theater stimmt, Spektakel auch, Rausch nicht. In der Pause gibt es zwar ein griechisches Büffet, aber wie einer der einheimischen Besucher sagt, ist dies ein "Pflanz", was so viel bedeutet wie: eine Verarschung. An dieser Aussage ist wenig zu deuteln, wenn der letzte Schafskäse-Würfel schneller verschwunden ist, als man das Foyer betreten kann. Andererseits ist vielleicht auch unsere Vorstellung von den antiken Dionysien als weinselige Gelage falsch, vielleicht ging es da ja auch nur um Kunst.

Die gibt es nun in der Felsenreitschule reichlich: Erst Tragödie, dann Ballett, dann Oper und schließlich Ulk, äh, Satyrspiel. Alles hat Carl Philipp von Maldeghem inszeniert, nur das Ballett nicht, und das ist am besten: Márcia Jaqueline tanzt die Medea in einer vom Staatstheater Karlsruhe übernommenen Choreografie von Reginaldo Oliveira, die Mythos mit Alltag verbindet und herzzerreißend ist. Man möchte Márcia Jaqueline helfen, in den Arm nehmen, beschützen, man versteht Not und Tat.

Davor gibt es die harte Abstraktion des "Gefesselten Prometheus" von Aischylos in einer Bearbeitung von John von Düffel: ein spröder, aber intellektuell faszinierender Diskurs über die Ambivalenz der Göttermacht und einen anzunehmenden Sieg der Menschen, also eine Utopie. Nach der frugal unterfütterten Pause schließlich ein Werk, das in seiner Formenvielfalt Nukleus des Abends ist, "Ödipus Rex" von Strawinsky, aus dessen neoklassischer, also eher strenger Phase, dirigiert von Dennis Russell Davies. Ein sprödes Spektakel, mündend in eine etwas provinzielle, kabarettistische Disco-Party nach Aristophanes.

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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