Vorschlag-Hammer:Raumspiele

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Bei Christie's in New York wurde ein Gemälde von Leonardo da Vinci für 450 Millionen Dollar versteigert. Wer solche finanziellen Spielräume hat, muss sich um Räume jeglicher Art sicher nicht kümmern

Kolumne von Evelyn Vogel

Dieser Herbst verlangt einem mal wieder alles ab. Vier bis fünf Veranstaltungen pro Abend sind die Regel. Aber ich will nicht klagen, denn es macht mir ja auch Spaß, Neues zu entdecken, künstlerischen Entwicklungen nachzuspüren, Menschen kennen zu lernen. Dennoch frage ich mich seit Tagen, ob ich trotz strategischer Planung noch über Freiräume verfüge. Dieser Gedanke ging mir durch den Kopf, als ich am Mittwochabend unterwegs war - und neben neuen Gedankenräumen auch neue Ausstellungsräume entdeckte.

So war ich zum ersten Mal bei Britta von Rettberg. Im Juni hat sie ihre Galerieräume im Kunstareal eröffnet, aber bislang hatte ich es noch nicht geschafft, dort vorbeizuschauen. Schön renovierter, gut ausgeleuchteter Altbau mit gemütlicher Atmosphäre. Zu sehen ist dort mit Volume 3 (bis 9. Januar) eine hervorragend konzipierte Ausstellung mit Werken von Caro Jost, Irina Ojovan und Benjamin Bergmann, die zur Eröffnung die halbe Münchner Kunstszene anlockte. Am Dienstag, 21. November, gibt es dort übrigens um 19.30 Uhr ein Künstlergespräch.

Nach diesem verheißungsvollen Auftakt wanderte ich weiter in den Alten Hof, wo die Galerie de Martino eine neue Dependance hat und eine Ausstellung von Rosa Loy eröffnete. De Martino war vor einigen Jahren in einem Hinterhof in der Türkenstraße und verschwand plötzlich sang- und klanglos. Nun taucht sie wieder auf, aber statt ordentliche Galerieräume bespielt sie den (durchaus großzügigen) Wartebereich von Nuklearmedizinern, Endokrinologen und Herzspezialisten. Der Titel Die Praxis ist also kein Scherz. Hätte mich der (Herz-)Schlag getroffen, wäre ich wohl zumindest schnellstmöglich versorgt worden. Ich bin mir nicht sicher, aber ob dieses Unter-Wert-Verkaufs schienen sich auch Rosa Loy und ihr Mann Neo Rauch nur bedingt wohl zu fühlen. Um Loys Arbeiten ordentlich zu sehen, fährt man wohl besser nach Leipzig, wo sie auch ihr Atelier hat.

Zum Schluss meiner kleinen Tour legte ich in meiner Untergiesinger Nachbarschaft noch einen Stopp ein, um endlich den Freiraum 16 kennenzulernen. Der ähnelt eher einem Ladengeschäft. Die Betreiberin Angelika Baumgartner hat vor etwa eineinhalb Jahren ihr Büro für Innenarchitektur geräumt, um sich fortan mit Hilfe der Kunst ihre persönlichen Freiräume zu schaffen. Die aktuelle Ausstellung Das Kleine Format ist zwar mehr eine Überblicks-Schau. Aber es gibt darunter ein paar interessante Künstler. Habe mir also fest vorgenommen, dort wieder mal vorbeizuschauen. Schließlich noch ein ungewöhnlicher Raum, der oft gedanklichen Freiräumen Platz bietet: das BNKR im Bunker in der Ungererstraße. Am Samstagabend war ich dort bei der Ausstellungseröffnung von No Longer Art: Salvage Art Institute (bis 25. Februar). Lauter Versicherungsschäden, an Hand derer über Kunst und ihren Marktwert nachgedacht wird. Ein Zusammenhang, der beim jüngsten Auktionsrekord bei Christie's in New York keine Rolle gespielt haben dürfte. Dort wurde - obwohl es angeblich in keinem guten Zustand ist - ein Gemälde von Leonardo da Vinci für 450 Millionen Dollar versteigert. Wer solche finanziellen Spielräume hat, muss sich um Räume jeglicher Art sicher nicht kümmern.

© SZ vom 17.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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