Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Musik liegt in der Sommerluft

Ein kleines Musikwunder vollbringt der gerade angelaufene Film "Rocketman": Die scheinbar totgenudelten Lieder von Elton John wurden von Dexter Fletcher so liebevoll inszeniert und arrangiert, dass man als Zuschauer ein bisschen das Gefühl hat, man würde sie zum ersten Mal hören

Kolumne von Josef Grübl

Mehr davon, bitte! Sobald ein Kinofilm besonders viele Zuschauer anlockt, folgen schon bald Nachahmer, die mitsurfen wollen auf der Erfolgswelle. Aktuell kennt man das vor allem von den sich ständig vermehrenden Superhelden-Supertruppen aus dem Hause Marvel oder DC Comics. Auch der Siegeszug des Freddie-Mercury-Films "Bohemian Rhapsody" bleibt nicht ohne Folgen: Alternde oder tote Musiklegenden sind angesagter denn je, ihre Hits werden im Kino reihenweise wiederbelebt. Gerade etwa wurde ein Film mit den Songs von Boy George angekündigt, bereits in den Startlöchern stehen Musikfilme wie "Blinded By The Night", "Yesterday" oder "Ich war noch niemals in New York". Es sind zwar keine Biografien von Bruce Springsteen, den Beatles oder Udo Jürgens, dafür spielt die Musik ebenjener Herrschaften die Hauptrolle.

Ein kleines Musikwunder vollbringt auch der gerade angelaufene Rocketman: Die scheinbar totgenudelten Lieder von Elton John wurden in dem Film von Dexter Fletcher so liebevoll inszeniert und arrangiert, dass man als Zuschauer ein bisschen das Gefühl hat, man würde sie zum ersten Mal hören. Großartig etwa die Szene, in der der Hauptdarsteller Taron Egerton im Bademantel am Klavier sitzt und "Your Song" singt. Es reichen ein paar sehnsuchtsvolle Blicke, um zu erahnen, dass ihm die folgenden Zeilen fast das Herz zerreißen: "How wonderful life is now you're in the world". Ja, die Liebe kann grausam sein - oder auch ganz wunderbar, wenn es einen Herzensmenschen auf dieser Welt gibt.

Besonders laut pochen die Herzen an lauen Sommerabenden, wenn man zu zweit in den Sternenhimmel oder auf davorstehende Filmleinwände blinzeln kann, zum Beispiel im Westpark oder am Olympiasee. Die Kino-Open-Air-Saison ist eröffnet, es wird viel gesungen und geliebt, bei Filmen wie A Star Is Born, Gundermann oder Das schönste Mädchen der Welt - da ergibt sich das mit den Sehnsuchtsblicken wie von selbst. Musikalische Hochgefühle versprechen aber nicht nur Filme: Im Deutschen Theater gastiert im Juli die Tanzshow Star Dust - From Bach To David Bowie, im Oktober folgt das Take-That-Musical The Band. Auch in den Kammerspielen setzt man auf die Macht der Musik: Dort läuft bis zur Sommerpause noch mehrere Male Stefan Puchers Inszenierung des Romans Das Leben des Vernon Subutex, dort erwecken tolle Schauspieler noch tollere Songs von toten Musiklegenden wie Prince ("Sign O' The Times") oder Leonard Cohen ("You Want It Darker") zu neuem Leben. Ein toller Theaterabend: Mehr davon, bitte!

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4476371
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.06.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.