Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Mal was Anderes

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Konzerte in der Philharmonie, im Herkulessaal, im Prinzregententheater, in der Musikhochschule oder in anderen Räumen ist man als Münchner Musikliebhaber gewohnt. Da kann es nur wohltuend sein, einmal andere Orte, an denen klassische Musik gespielt wird, aufzusuchen

Kolumne von Harald Eggebrecht

Es tut der musikalischen Wahrnehmung gut, nicht immer in den wohlbekannten hiesigen Sälen zu hören! Es ist quasi Urlaub von gewissermaßen eingeübten Hörgewohnheiten, wie sie Philharmonie, Herkulessaal, Prinzregententheater, Musikhochschule und andere Münchner Räume bereithalten.

Einer dieser Hörerfrischungsorte liegt am Hochrhein oberhalb von Schaffhausen. Es ist die kleine, auf einem Hügel gelegene Bergkirche von Büsingen, über tausend Jahre alt, eine romanische Steinkiste könnte man sie in ihrer Schmucklosigkeit nennen, die dennoch auf wohl jeden denkbar ehrwürdig wirken wird. Rund 220 Personen gehen hinein, wenn hier im August Konzerte stattfinden. Da hat man den Eindruck, als säße man gleichsam in den Instrumenten. Besonders Streicher klingen in diesem Raum sensationell. Als im Nachtkonzert der großartige Cellist Christian Poltéra Solostücke von Johann Sebastian Bach und Benjamin Britten spielte, umgab einen die Musik ohne irgendwelche Barriere oder den typischen Abstand zwischen Bühne und Auditorium: Man saß in Bach und Britten.

Einen ganz anderen, imposanten Raum bietet die riesige Friedenskirche von Świdniza, früher Schweidnitz, in Niederschlesien. 1657, ein paar Jahre nach dem Westfälischen Frieden, durften die Protestanten im damals habsburgischen, damit katholischen Schlesien diese Kirche bauen unter allerdings diskriminierenden Auflagen, wie wir sie heute beschämend kennen, wenn Muslime hier eine Moschee errichten wollen. Die Friedenskirche durfte nur außerhalb der Stadtmauern, nur aus Holz, Lehm und Stroh gebaut werden binnen eines Jahres, sie durfte nicht aussehen wie eine Kirche, keinen Turm und kein Geläut haben. So entstand ein einfacher, aber gewaltiger Fachwerkbau überm Grundriss eines griechischen Kreuzes, der innen aber den schönsten Barockglanz entfaltet. 7500 Menschen passen hinein. Gewiss, der Riesenraum ist kein Saal für Kammermusik, aber seine Aura beflügelt, sagten jedenfalls die Mitglieder des Musik-Workshops "Krzyżowa Music", der im früheren Kreisau alljährlich Ende August stattfindet. Und so klang Beethovens Septett mit der famosen Geigerin Viviane Hagner als Primaria so gespannt wie frisch, vielleicht auch, weil alle Musiker standen.

Daher sind Konzertbesuche rund um München auch gut für ein erfrischtes Hören. Im Martinstadl in Zorneding etwa spielen am Sonntag (15.9.) Christian Poltéra (Cello) und Kathryn Stott (Klavier) Dvořák, Prokofjew, Janáĉek und Schostakowitsch. Mittwoch und Donnerstag (18./ 19. 9.) geben sich die Preisträger des ARD-Wettbewerbs 2019 zuerst im vertrauten Prinzregententheater die Ehre und am Freitag (20. 9.) dann im wohlbekannten Herkulessaal.

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Quelle:
SZ vom 14.09.2019
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