Vorschlag-Hammer:Lesethesen, Tresenlesen

Von der Kritik häufig ignoriert werden Autorinnen, dieLiebesromane schreiben. Als wäre es per se keine Kunst, Herzensangelegenheiten wortreich auszudeuten. Ich diskutiere darüber regelmäßig mit meinem Lieblingsmenschen und meist streiten wir uns über den Begriff "literarisch"

Kolumne von Bernhard Blöchl

Ein neues Buch von Wolfgang Herrndorf, klar, das fühlt sich zunächst befremdlich an. Dann aber liest man dessen Gedanken aus einer Zeit lange vor seinem Tod und freut sich über die bleibenden "Stimmen", wie die Textesammlung heißt. Die Gedichte des Autors kann man vergessen, aber was er da über Literaturkritik schreibt, ist bemerkenswert. "Man darf der Kritik nie vorwerfen, dass sie es selbst nicht besser könne", formulierte er 2006, vier Jahre vor "Tschick". "Ein Kritiker muss nicht schreiben können. Er muss eine Kritik schreiben können, weiter nichts. Es gibt nur eine Ausnahme: wenn Kritik programmatisch wird. Wenn Kritik sagt, in welche Richtung zu marschieren sei. Einen Wegweiser in die Erde rammen und meinen, man habe den nächsten Kreuzzug angestoßen, ist Kinderkacke." Seinen eigenen Weg, mit Kritiken umzugehen, hat Nick Hornby gefunden. Er beachte sie schlicht nicht mehr, erzählte mir der Londoner Autor im Telefon-Interview. Zwar schätze er die Form. Wenn es aber um das eigene Werk geht, kann er offenbar gut darauf verzichten. Bald wird es diesbezüglich wieder ernst, denn sein neuer Roman wächst.

Von der Kritik häufig ignoriert werden Autorinnen, die Liebesromane schreiben. Als wäre es per se keine Kunst, Herzensangelegenheiten wortreich auszudeuten. Ich diskutiere darüber regelmäßig mit meinem Lieblingsmenschen. Meist streiten wir uns über den Begriff "literarisch" (ich übersetze ihn mit genrefrei, sie hält ihn für Angeberei). Aber im Prinzip teilen wir die Meinung, dass jede Gattung sein muss, was sie ist. Nur das. Und dass es auch hier Gutes gibt und Mist. Das wiederum kann jeder selbst überprüfen, wenn am Wochenende das Lesefestival Lit.Love in den Verlagsräumen bei Random House über die Bühne geht (Neumarkter Straße 28), mit Lesungen und Diskussionen, mit Kate Morton und Sophie Kinsella, mit Amelie Fried und Anne Sanders (so nennt sich meine Liebste, wenn sie Romanzen schreibt). Ein paar Tage später beginnt dann das Literaturfest, mit einer hübschen Neuerung: Bei den Séancen mit Substanzen wird gelesen und getrunken, in der Stählemühle Schnapsbar im Luitpoldblock (zum Auftakt mit John Burnside und Michael Krüger, 16. 11., 23 Uhr, Eintritt frei). Den Kummer über schlechte Kritiken an der Theke ertränken - auch eine Möglichkeit. Spannend klingt zuvor schon der Abend Wie setzt man über? Von Literatur zu Film, mit Edward St Aubyn, Edward Berger und Doris Dörrie (16. 11., 20 Uhr, HFF).

Dazu hätte auch Nick Hornby viel zu sagen, der ja seit seinem Debüt "Fever Pitch" kein Drehbuch mehr selbst aus seinen Romanen geschält hat. Der hübsche Film zu Juliet, Naked, den gleich mehrere Kollegen fürs Kino adaptiert haben, startet am 15. November. Und weil Hornby ohne Pop nicht vorstellbar ist, hier noch ein paar Konzerttipps. Die Wiener Wucht Voodoo Jürgens singt Ludwig Hirsch (11. 11.), und auf das Sportfreunde Stiller-Spin-Off Taskete (16. 11.) darf man auch gespannt sein. Zu Kylie Minogue gehe ich auch (13. 11.). Beim Schreiben der Kritik werde ich mich an Herrndorfs Worte erinnern, eh klar.

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