Vorschlag-Hammer:Künstler und Masken

Gerne kaufe ich ein Stück Vergangenheit

Von Christian Jooß-Bernau

Gerne kaufe ich ein Stück Vergangenheit. Die letzte Auer Dult in diesem Jahr war in dieser Hinsicht allerdings bedingt erfolgreich. Nur zwei Bücher haben es in meinen Rucksack geschafft. Wilhelm Hausensteins Bändchen "Die Masken des Komikers Karl Valentin" von 1948 und der Siegfried-Sommer-Sammelband "Blasius geht durch die Stadt . . ." von 1951. Liest man diese Spaziergänger-Kolumnen in Reihe, erstaunt die Pose des Schreibenden. Er tritt einem als chauvinistischer Ignorant entgegen. Frauen sind im Idealfall dekorativ, und bei Carl Orff beginnt der Lärm. Das ist ein wenig aus der Zeit gefallen. In einem, allerdings, ist Sommers Kunst der Beleidigung fortschrittlich. Sie ergießt sich recht demokratisch über alle verfügbaren Mitmenschen. Während das damals exzeptionell war, scheint es einem heute oft, als ersetze die Beleidigung die Diskussion.

Am 10. November spielen die Queens Of The Stone Age im Zenith. Dass von ihnen eine amtliche Trump-Beschimpfung überliefert ist - Ehrensache. Wobei. Wo die Freiheit der Schmähung zur Notwenigkeit wird, verliert sie an Reiz. Auch wenn das neue Album "Villains", also "Schurken", heißt, mit Trump soll das explizit nichts zu tun haben, sagt die Band. Die starken Assoziationen jedoch zeigen, dass Künstler auch Produkte ihrer Zeit sind. Rise Against, die am 14. November im Zenith auftreten, gehen damit offensiv um. Ihr Album "Wolves" will nicht nur anbrüllen gegen Trump, sondern Soundtrack einer konstruktiven Gegenbewegung sein. Mir ist das sympathisch, auch wenn ich mich bei jedem Hören an den Pop, den sie dir heute als Punk verkaufen, gewöhnen muss. Die politische Bewegung, sie beginnt im Privaten, so wie sich umgekehrt das Politische im Privaten spiegelt. Ohne Botschaft kann hier der Fotograf zum Hellseher werden. In dieser Hinsicht großartig ist die Ausstellung der Bilder des Engländers Martin Parr, die noch bis Ende Januar im Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung zu sehen ist. Seine Fotos aus New Brighton von 1985 beispielsweise, zeigen in Farbe den Alltag der britischen Arbeiterklasse, die sich auch ihr Stückchen Luxus gönnt. Ein Junge liegt auf drecksteinigem Grund im Schatten einer Baggerkette auf einem weißen Handtuch: ein Seebad im Thatcherismus.

Auf seinen Selbstporträts trägt Parr eine undurchdringliche Miene. Der Ausdruck der Gleichmütigkeit lässt die Welt um den Magnum-Fotografen noch komischer scheinen. Gleichzeitig ist die Miene eine Maske, hinter der sich vielleicht ein sensibler Künstler verbirgt. Wilhelm Hausenstein, dessen Text über Karl Valentin ich auf der Auer Dult entdeckte, ist 1948 hinausgegangen zum Friedhof in Planegg, wo der Künstler, dieser Meister der Masken, aufgebahrt lag. Er sah ihm ins Gesicht und erkannte den Menschen Valentin selbst: "Die schmerzliche Strenge, die im Kellergewölbe dieser Seele daheim gewesen war, hatte den Toten in den Sarg begleitet und herrschte nun allein - stumm, endgültig, offenbar."

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